Kammermitteilungen 4/2022

Das aktuelle Thema Gemeinsam dem Fachkräftemangel entgegentreten! Von Rechtsanwältin Julia Kindler, Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf Bereits seit Jahren mehren sich die Rufe unter Kolleginnen und Kollegen, offene Stellen in Kanzleien nicht mehr besetzen zu können. Dies gilt nicht nur für die Besetzung von Anwaltsstellen, ein Phänomen, dass in letzter Zeit besonders deutlich wird, sondern insbesondere auch für die Besetzung qualifizierter Mitarbeiterstellen. Alarmierend ist dabei, dass die Zahlen der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Ausbildungsberufen zur Rechtsanwaltsfachangestellten und Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten weiter sinken. Laut der Ausbildungsstatistik, die die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) führt, wurden im Jahr 2001 noch 9.384 neue Ausbildungsverträge für die Ausbildung zur Rechtsanwalts- oder Rechtsanwaltsund Notarfachangestellten bundesweit abgeschlossen. Im Jahr 2021 waren es gerade noch 3.5541 1 https://www.brak.de/anwaltschaft/rechtsanwaltsfachangestellte/ Hierdurch wird sich der Fachkräftemangel im Bereich der Juristerei in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen. Der diesjährige STAR-Bericht2 2 Statistische Berichtssysteme für Rechtsanwälte (STAR), Erhebung 2022 zum Thema „Nicht-juristisches Personal und Legal-Tech“, vollständig abrufbar unter: https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken/star2022/ des Instituts für Freie Berufe im Auftrag der Bundesrechtsanwaltskammer hat sich in diesem Jahr mit den nicht-juristischen Mitarbeitern in Kanzleien befasst. Bislang lag das Hauptaugenmerk der seit 1993 im Zwei-Jahres-Takt stattfindenden Befragung auf der wirtschaftlichen Situation der Berufsträger. Seit diesem Jahr findet die STAR-Befragung nun jährlich statt, inhaltlich getrennt in einen Basisfragebogen zum wirtschaftlichen Teil sowie einen Zusatzfragebogen zu einem variablen Sonderteil. Dieser bezog sich in diesem Jahr auf die nicht-juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Anwaltskanzleien oder im Falle von Syndikusrechtsanwälten auch in Unternehmen, darüber hinaus auf das Thema Legal Tech. Unter nicht-juristischen MitarbeiterInnen wurden dabei in der vorliegenden Befragung Rechtsanwaltsfachangestellte bzw. Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, geprüfte Rechtsfachwirte oder auch andere Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter verstanden. Insgesamt haben sich an der Umfrage von den am Stichtag zugelassenen 162.273 Mitgliedern 4.757 beteiligt, was 2,39% der Mitglieder entspricht. Im Bereich der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf lag der Rücklauf nur bei 120 Teilnehmern von zum Stichtag 12.829 Mitgliedern. Dennoch bietet die Befragung insgesamt eine gute Grundlage, um sich dem Problem des Fachkräftemangels zu nähern, liegen ähnliche Befragungen zum Thema durch die BRAK bereits Jahre zurück. Rechtsanwälte aus Kanzleien in Großstädten mit mindestens 500.000 Einwohnern geben laut dem Bericht zu 34% an, unbesetzte Mitarbeiterstellen zu haben. Dabei sind Einzelkanzleien noch im Vorteil. Hier beklagen nur 14% unbesetzte Stellen im Vergleich zu Sozietäten mit sogar 42%. 76% der Rechtsanwälte, die von offenen Stellen berichten, suchen dabei Rechtanwaltsfachangestellte oder Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, 46% (auch) Büro- oder Schreibkräfte. 21% der Rechtsanwaltskanzleien geben an, zwei Stellen für eine Fachkraft unbesetzt zu haben; 9,5% suchen drei bis fünf ReFa-/ReNo-Fachkräfte. 1,5% würden sogar sechs oder mehr Fachkräfte einstellen. Diese Zahlen, auch wenn sie auf einer dünnen Datenlage beruhen, sind alarmierend und decken sich mit den Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Anwaltschaft, die die Rechtsanwaltskammer erreichen. Dabei ist die in der Vergangenheit beliebte Ausbildung solide und ein sicherer Einstieg in die Berufswelt. Durchschnittliche Jahresgehälter von 29.000 c in Vollzeit für Berufsanfänger und 33.000c mit Berufserfahrung3 3 Statistische Berichtssysteme für Rechtsanwälte (STAR), Erhebung 2022 zum Thema „Nicht-juristisches Personal und Legal-Tech“, vollständig abrufbar unter: https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken/star2022/ , die Fortbildungsmöglichkeit zum Rechtsfachwirt, mit der entsprechenden Möglichkeit der Gehaltsentwicklung und eine spannende Tätigkeit erwarten die Rechtsanwaltsfachangestellten. Die „rechte Hand des Anwalts“ ist stets nah an den Mandanten und den Fällen, hat quasi eine Jobgarantie und ein breites Spektrum potentieller Tätigkeiten. So sieht bspw. die Tätigkeit als Rechtsanwaltsfachangestellte in der Einzelkanzlei ganz anders aus, als in der Großkanzlei – und, für die Anwaltschaft zusätzlich problematisch, für die Fachkraft ein Pluspunkt: Auch viele große Unternehmen und Behörden stellen die fertigen Rechtsanwalts- und Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten gerne ein, mit den entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten. Woran liegt es dann also, dass der Fachkräftenachwuchs fehlt und Auszubildende einen Bogen um die Kanzlei machen? Vermutlich an mehreren Faktoren. Eine Bürotätigkeit liegt sicher nicht jedem und klingt vielleicht gerade für junge Menschen vermeintlich nicht mehr attraktiv. Auch der demografische Wandel lässt sich nicht verleugnen. Der Fachkräftemangel ist ohnehin in allen Bereichen präsent. Jedenfalls die vermeintlich geringe Vergütung wurde bereits angegangen, Empfehlungen für Azubi-Gehälter angehoben. Aber immer noch muss das verstaubte Image weg und die Mär der teilweise sehr hohen Arbeitsbelastung. Ein weiterer Punkt, der für junge 72 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 4/2022

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