Kammermitteilungen 4/2022

Interesse einer höheren Richtigkeitsgewähr ein notarielles Nachlassverzeichnis zu fordern. Die Regelungen des BGB erweisen sich dabei in der Praxis als nicht hinreichend, um eine faire, schnelle und konfliktarme Durchführung des Verfahrens sicherzustellen. Ermittlungspflichten und Ermittlungsmöglichkeiten der Notare bei der Aufstellung von Nachlassverzeichnissen decken sich nicht. So müssen sie den Nachlassbestand selbst ermitteln, verfügen aber weder über Ermittlungsbefugnisse, noch haben sie die Möglichkeiten der Rechts- oder Amtshilfe. Die Grundannahme des Gesetzgebers – informationsloser pflichtteilsberechtigter Nichterbe trifft auf informierten Erben – bildet die Lebenswirklichkeit nicht mehr zutreffend ab. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte im April 2019 ein Eckpunktepapier zu Reformüberlegungen zum notariellen Nachlassverzeichnis vorgelegt; ein Gesetzentwurf steht bislang aus. Zur Erweiterung der wechselseitigen Auskunftsansprüche im Pflichtteilsverfahren liegt eine Initiativstellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer vom November 2019 vor. Ziel einer Reform sollte eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Erben, Pflichtteilsberechtigten und beschenkten Dritten bei Auskunftspflichten innerhalb von Pflichtteilsstreitigkeiten sein. Die bisher nur partielle Kodifizierung in § 2314 BGB sollte entsprechend ergänzt werden. Die Tätigkeit des Notars bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses sollte durch eine gesetzliche Konkretisierung seiner Ermittlungspflichten und die Regelung einer Mitwirkungspflicht der Beteiligten erleichtert werden. Der Bundesminister der Justiz wird gebeten, im Interesse der Entlastung von Bürgern, Notaren und Gerichten, aufbauend auf den bereits vorliegenden Reformvorschlägen von Bund, Ländern und Verbänden einen Gesetzesvorschlag zur Reform der Pflichtteilsregulierung vorzulegen. TOP I.15 Rechtssicherheit verbessern, Rechts- und Wirtschaftsstandort Deutschland stärken – Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich erneut mit der Bedeutung des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr für die Wettbewerbssituation international agierender deutscher Unternehmen und für die Attraktivität des deutschen Rechts im internationalen Vergleich befasst. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Digitalisierung und der damit einhergehenden Bedeutung innovativer Geschäftsmodelle, aber auch im Hinblick auf Vorgaben der Europäischen Union kommen sie erneut zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, das deutsche AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen zu überarbeiten. Der Bundesminister der Justiz wird daher gebeten, konkrete Vorschläge für eine Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu erarbeiten, die insbesondere Wettbewerbsnachteile innovativer deutscher Unternehmen minimiert und dabei den Interessen kleiner und mittlerer Unternehmen angemessen Rechnung trägt. TOP I.16 Stärkung des Rechtsstaats als Gemeinschaftsaufgabe – Verstetigung des Paktes für den Rechtsstaat und neuer Digitalpakt für die Justiz Es wird festgestellt, dass trotz mehrfacher Beschlussfassung der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister sowie der Konferenz der Finanzministerinnen und Finanzminister und den Forderungen aus Justiz und Anwaltschaft bislang weder die Verstetigung des Paktes für den Rechtsstaat noch ein zusätzlicher Digitalpakt durch das BMJ auf den Weg gebracht wurden. Die Justizministerinnen und Justizminister stellen zudem fest, dass auch durch gesetzliche Initiativen keine auch nur annähernd vergleichbare Entlastung der Justizhaushalte der Länder geschaffen wurde oder in Aussicht steht. Die Justiz ist vor Herausforderungen durch Bundesgesetzgebung gestellt, die eine Beteiligung des Bundes an den dadurch verursachten Kosten und damit auch bei der Finanzierung zusätzlicher Stellen unverzichtbar machen. Die Länder investieren bereits erhebliche Summen in die Länderjustizen, um den Zugang der Bürger zum Recht zu gewährleisten und den Rechtsstaat den wachsenden Herausforderungen anzupassen. Ein zukunftsfähiger Stärkungspakt für die Justiz umfasse sowohl die Verstetigung des Paktes für den Rechtsstaat als auch die Erweiterung um einen strukturell begründeten Digitalpakt. Hierzu gehört die Verstetigung der finanziellen Unterstützung seitens des Bundes der durch die Länder im Rahmen des bis zum 31.12.2021 befristeten Paktes umgesetzten Stellenverstärkungen an den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Dies sollte in Form einer inflationsbereinigten, mindestens aber die Tarifsteigerungen berücksichtigenden Fortführung des damaligen Volumens (220 Millionen Euro) für die Jahre 2023-2027, aufgeteilt in drei Tranchen, durch Festbeträge im Rahmen der vertikalen Umsatzsteuerverteilung erfolgen. TOP I.17 Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes für die Amtsgerichte Die Justizministerinnen und Justizminister nehmen den Bericht der Arbeitsgruppe „Anhebung des Zuständigkeitsstreitwertes für die Amtsgerichte“ zur Kenntnis. Sie teilen insbesondere die Einschätzung, dass eine Stärkung der Amtsgerichte als ein Beitrag zur bürgerund ortsnahen Justiz zeitnah erforderlich ist. Sie empfehlen, den Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte anzuheben und darüber hinaus als weitere Maßnahme die Verlagerung streitwertunabhängiger Zuständigkeiten in Betracht zu ziehen. Die JuMiKo bittet die Arbeitsgruppe, ihre Arbeit fortzusetzen und neben Berichte und Bekanntmachungen KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 4/2022 77

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0