Kammermitteilungen 3/2022

BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). (...) Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig. Nach § 112f Abs. 1 Nr. 2 BRAO können Wahlen zu Organen der Bundesrechtsanwaltskammer für ungültig erklärt werden, wenn sie unter Verletzung des Gesetzes, worunter auch das Verfassungsrecht zu fassen ist (vgl. Senat, Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ (Brfg) 19/ 19, NJW 2021, 2041 Rn. 36; Deckenbrock in Henssler/ Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112f Rn. 29a), oder der Satzung zustande gekommen sind. Liegt ein solcher Wahlfehler vor, steht die Ungültigerklärung der Wahl nach § 112f Abs. 1 BRAO nicht im Belieben des Gerichts. Vielmehr kann die Wahl grundsätzlich nur bei solchen Fehlern Bestand haben, die sich auf das Wahlergebnis weder tatsächlich ausgewirkt haben noch konkret und nicht nur theoretisch haben auswirken können (fehlende Ergebnis- bzw. Mandatsrelevanz, vgl. Senat, Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ (Brfg) 19/19, NJW 2021, 2041 Rn. 74; BVerfGE 121, 266, 310; 146, 327 Rn. 40; Deckenbrock in Henssler/ Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112f Rn. 34; SchmidtRäntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 112f BRAO Rn. 13a). (...) Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einwände des Klägers gegen die Verfassungsmäßigkeit einer elektronischen Wahl als solcher und damit gegen § 191b Abs. 2 S. 2 BRAO unbegründet sind. Nach § 191b Abs. 2 S. 2 BRAO kann die Wahl der stimmberechtigten Mitglieder der Satzungsversammlung auch als elektronische Wahl durchgeführt werden. Die Entscheidung, ob die Wahl als Briefwahl oder elektronisch durchgeführt werden soll, und die Regelung ihrer Ausgestaltung im Einzelnen ist den regionalen Rechtsanwaltskammern und ihren Wahlordnungen überlassen (vgl. RegE zum Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich rechtsberatender Berufe, BT-Drucks. 18/9521, S. 134 zu § 191b BRAO-E sowie S. 124 f. zu § 64 BRAO-E). Diese Regelung verstößt weder gegen das Demokratiegebot noch gegen die allgemeinen Wahlgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 GG. (...) Mit § 191b Abs. 2 S. 2 BRAO hat der Gesetzgeber die grundsätzliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer elektronischen Wahl zur Satzungsversammlung getroffen. Außerdem hat er die grundlegenden Voraussetzungen für die Durchführung einer elektronischen Wahl im Wesentlichen selbst bestimmt: In § 191b Abs. 2 S. 1 BRAO sind die verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätze der geheimen und unmittelbaren Wahl ausdrücklich vorgeschrieben. Die Allgemeinheit der Wahl ergibt sich aus der Bestimmung der (aktiv und passiv) Wahlberechtigten in § 191b Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, §§ 65 ff. BRAO; die Gleichheit der Wahl folgt aus § 191b Abs. 2 S. 4 BRAO. Die Grundsätze der Wahlfreiheit und der Öffentlichkeit der Wahl sind zwar nicht ausdrücklich geregelt; ihre Geltung folgt aber bereits unmittelbar aus der Verfassung. Da die Beklagte als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung auch hoheitliche Kompetenzen ausübt, muss sie – trotz der Lockerung des demokratischen Legitimationserfordernisses im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung – bei der Bildung ihrer Organe durch diese legitimierende Wahlen auch demokratischen Grundsätzen genügen (zur Wahlfreiheit und Chancengleichheit der Bewerber vgl. Senat, Urt. v. 7.12.2020 – AnwZ (Brfg) 19/19, NJW 2021, 2041 Rn. 37 ff.). Dass der Gesetzgeber die Entscheidung über die Durchführung einer elektronischen Wahl und die Regelung ihrer organisatorischen und technischen Ausgestaltung im Einzelnen der Satzungsautonomie der Rechtsanwaltskammern im Vertrauen darauf überlassen hat, dass diese im Rahmen der ihnen zugebilligten Verbandsautonomie eine angemessene und mit den verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätzen vereinbare Regelung treffen werden, ist nach der obigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.1992 – AnwZ (B) 2/ 92, NJW 1992, 1962). (...) Die geringe Wahlbeteiligung bei der von der Beklagten erstmals elektronisch durchgeführten Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 gibt entgegen der Ansicht des Klägers keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Der Kläger verweist darauf, dass die Wahlbeteiligung mit 2.121 abgegebenen Stimmen bei unter 10% der Wahlberechtigten lag, während bei der im Jahr 2015 von der Beklagten als Briefwahl durchgeführten Wahl zur 6. Satzungsversammlung noch 4.231 Stimmen abgegeben worden seien. Das allein lässt aber nicht den Schluss zu, dass die elektronische Wahl – wie der Kläger meint – von den meisten Wählern nicht akzeptiert wird und damit das erklärte Ziel des Gesetzgebers, mit der Einführung der Briefwahl bzw. elektronischen Wahl der geringen Beteiligung der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern an den bislang durchgeführten Wahlen entgegenzuwirken und damit eine stärkere Legitimationsbasis der gewählten Organe zu erreichen (RegE zum Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich rechtsberatender Berufe, BT-Drucks. 18/ 9521, S. 125), von vorneherein nicht erreicht werden kann. Eine geringe Wahlbeteiligung kann vielmehr stets auch auf andere, von den Wahlmodalitäten unabhängige insbesondere konkret kammerspezifische Gründe zurückzuführen sein. (...) Die Rüge des Klägers, das eingesetzte Wahlsystem habe keine für den Wähler erkennbare Möglichkeit der Wahlenthaltung oder der Abgabe einer ungültigen Rechtsprechungsübersicht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2022 59

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