Kammermitteilungen 1/2023

und Erklärungen gilt § 14b FamFG ohne Bereichsausnahme. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestehen auch keine geringeren formellen Anforderungen an einen bestimmenden Schriftsatz unter dem Gesichtspunkt, dass dann, wenn vom Betroffenen kein Rechtsanwalt beauftragt worden wäre, ihm ein Verfahrenspfleger hätte bestellt werden müssen (vgl. §§ 276 Abs. 4, 317 Abs. 4 FamFG). Denn das Absehen von der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach den §§ 276 Abs. 4, 317 Abs. 4 FamFG knüpft nur daran an, dass die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden, hingegen nicht daran, dass dieser die Formvorschriften für die Einlegung von Rechtsmitteln einhält. Der Verfahrensbevollmächtigte hat die Beschwerdeschriftsätze nicht wie gesetzlich gefordert als elektronisches Dokument übermittelt. Auch war nicht ausnahmsweise die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften in Schriftform oder per Telefax zulässig, denn der Betroffene hat – unabhängig davon, ob das Vorbringen seines Verfahrensbevollmächtigten für eine Darlegung einer vorübergehenden Unmöglichkeit inhaltlich ausreichend ist – jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war. Ein elektronisch einzureichendes Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 14 Abs. 2 S. 2 FamFG i.V.m. § 130a Abs. 2 ZPO). Diese sind geregelt in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24.11.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV, BGBl. I S. 3803; geändert durch Verordnung vom 9.2.2018, BGBl. I S. 200), die zum 1.1.2018 in Kraft getreten ist. Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenes Dokument darf außer auf einem sicheren Übermittlungsweg auch an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 ERVV). Eine ausreichende Glaubhaftmachung, dass eine elektronische Übermittlung unter Einhaltung der vorstehenden Erfordernisse vorübergehend unmöglich war, ist weder mit der schriftlichen Ersatzeinreichung noch unverzüglich danach erfolgt. (1) Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Jedoch sind Situationen denkbar, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist, und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall ist die Glaubhaftmachung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) nachzuholen (BT-Drucks. 17/12634 S. 28). Ob aus dem Vorstehenden zu folgern ist, dass eine Nachholung der Glaubhaftmachung von vornherein unstatthaft ist, wenn der Rechtsanwalt bereits weiträumig vor der Ersatzeinreichung von der Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung wusste und dies schon mit der Ersatzeinreichung hätte darlegen können (vgl. KG FamRZ 2022, 1220, 1221; BayVGH Beschl. v. 2.5.2022 – 6 ZB 22.30401 – juris Rn. 6; OVG Schleswig SchlHA 2022, 199; OVG Münster Beschl. v. 9.5.2022 – 16 B 69/22 – juris Rn. 7; jurisPK-ERV/Biallaß [Stand: 7.9. 2022] § 130d ZPO Rn. 63; Oltmanns/ Fuhlrott NZA 2020, 897, 898), kann hier dahinstehen. Denn die der Ersatzeinreichung einzig beigegebene Erklärung, es könne derzeit nicht über beA zugestellt werden, da aufgrund einer Störung keine Signatur und Versendung möglich sei, ist schon deshalb keine ausreichende Glaubhaftmachung, weil sie keine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände enthält (vgl. Senatsbeschl. v. 13.12.2017 – XII ZB 356/17 – FamRZ 2018, 447 Rn. 14 m.w.N.). Zudem kann eine Schilderung von Vorgängen durch einen Rechtsanwalt die mitgeteilten Tatsachen nur dann glaubhaft machen, wenn der Anwalt die Richtigkeit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichert (vgl. Senatsbeschl. v. 5.7.2017 – XII ZB 463/16 – FamRZ 2017, 1704 Rn. 14 m.w.N.; BayVGH Beschl. v. 2.5.2022 – 6 ZB 22.30401 – juris Rn. 7). Eine derartige besondere Versicherung enthält der Schriftsatz vom 21.4.2022 ebenfalls nicht. (2) Demgegenüber sind die ergänzenden Darlegungen vom 17.5.2022 nicht unverzüglich nach der Ersatzeinreichung erfolgt und genügen deshalb nicht den Erfordernissen des § 14b Abs. 1 Satz 3 FamFG. Unverzüglich – und somit ohne schuldhaftes Zögern – ist die Glaubhaftmachung nur dann, wenn sie zeitlich unmittelbar erfolgt. Anders als bei § 121 BGB (vgl. dazu etwa BGH Urt. v. 24.1.2008 – VII ZR 17/07 – NJW 2008, 985 Rn. 18) ist keine gesonderte Prüfungs- und Überlegungszeit zu gewähren, sondern der Rechtsanwalt hat die Glaubhaftmachung gegenüber dem Gericht abzugeben, sobald er zu einer geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände in der Lage ist. In der Rechtsprechung wird angenommen, dass bereits nach Ablauf einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne Vorliegen besonderer Umstände – für die es hier keine Anhaltspunkte gibt – grundsätzlich Rechtsprechungsübersicht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 17

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