Kammermitteilungen 1/2023

keine Unverzüglichkeit mehr gegeben ist (BayVGH Beschl. v. 2.5.2022 – 6 ZB 22.30401 – juris Rn. 8; LAG Kiel NZA-RR 2022, 148, 155; Siegmund NJW 2021, 3617, 3618; vgl. auch OVG Münster Beschl. v. 9.5.2022 – 16 B 69/22 – juris Rn. 9). Die hier in Anspruch genommenen dreieinhalb Wochen überschreiten aber jedenfalls die zulässige Frist. Fehlt die (unverzügliche) Glaubhaftmachung, so ist auch die Ersatzeinreichung unwirksam (vgl. BayVGH Beschl. v. 2.5.2022 – 6 ZB 22.30401 – juris Rn. 8; Siegmund NJW 2021, 3617, 3618). 2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht keine Wiedereinsetzung gewährt. Die Fristversäumung war nicht unverschuldet im Sinne von § 17 Abs. 1 FamFG, weil der Betroffene sich die fehlende Unverzüglichkeit der nachgeholten Glaubhaftmachung wegen Verschuldens seines Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 11 S. 5 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Einen Entschuldigungsgrund hierfür hat der Betroffene bereits nicht geltend gemacht. Im Übrigen wäre ein eventueller Rechtsirrtum nicht unverschuldet (vgl. Senatsbeschl. BGHZ 222, 105 = NJW 2019, 2230 Rn. 25 m.w.N.). Die Bundesrechtsanwaltskammer hat bereits in einem Newsletter zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (Ausgabe 3/2022 vom 3.3.2022) unter Hinweis auf erste Rechtsprechung ausgeführt: „Die vorübergehende Unmöglichkeit ist aber zusammen mit der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 130d S. 3 ZPO)“. Hierüber konnte sich der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nicht ohne Verletzung seiner anwaltlichen Sorgfaltspflichten hinwegsetzen. (jki) Möglichkeit der Niederschrift entbindet Rechtsanwälte nicht – BGH, Beschluss vom 7.12.2022 – XII ZB 200/22 Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Schriftsätze auch nach § 14b Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) grundsätzlich nur per beA und nicht postalisch einreichen können. Nur ihre Mandantinnen und Mandanten hätten die Wahl, ihre Beschwerde schriftlich oder bei der Geschäftsstelle zur Niederschrift einzureichen (Beschl. v. 7.12.2022, Az. XII ZB 200/22). In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte eine Mutter Rechtsbeschwerde beim BGH gegen einen abweisenden Beschluss des OLG Frankfurt a.M. eingelegt. Ursprünglich hatte ihr das Amtsgericht Frankfurt a.M. Teile der elterlichen Sorge entzogen. Ihr Rechtsanwalt wollte mit drei nacheinander postalisch ans Gericht gesandten Beschwerden dagegen vorgehen. Das zuständige OLG wies zunächst darauf hin, dass die anwaltlichen Beschwerden per beA eingereicht werden müssten. Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgte, verwarf es die Beschwerde, weil der Schriftsatz nicht innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen elektronischen Form erfolgt sei. Auch die dagegen eingereichte Rechtsbeschwerde der Mutter beim BGH blieb erfolglos. Nach § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem 1.1.2022 für den besagten Personenkreis eine aktive Nutzungspflicht des beA geschaffen, so der BGH. Nichts Anderes ergebe sich daraus, dass nach § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG die Mutter neben der Einreichung einer Beschwerdeschrift auch die Möglichkeit gehabt hätte, diese per Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Vorschrift trage dem Umstand Rechnung, dass in den meisten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Anwaltszwang besteht und die Beteiligten daher das Verfahren selbst führen können. Gerade anwaltlich nicht vertretenen und insbesondere rechtsunkundigen oder schreibungewandten Verfahrensbeteiligten solle ein erleichterter Zugang zu den Rechtsmittelgerichten gewährt werden. § 64 Abs. 2 S. 1 FamFG räume daher Verfahrensbeteiligten ein Wahlrecht zwischen einer Beschwerdeschrift und der Niederschrift bei der Geschäftsstelle ein. Entschieden sie sich aber dafür, die Beschwerde schriftlich einzureichen, müsse die Beschwerdeschrift – wie schon § 64 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG zeigen – den gesetzlich vorgesehenen Formerfordernissen entsprechen, zu denen auch § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG zählt. Daher sei ein Rechtsanwalt seit dem 1.1.2022 zur Übermittlung einer Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument i.S.v § 130a ZPO verpflichtet. (jki) Rechtsprechungsübersicht 18 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

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