Kammermitteilungen 1/2023

hängigkeit des Beigeladenen entgegen § 46 Abs. 6 S. 2 BRAO vertraglich nicht gewährleistet ist. Zwar enthält der Anstellungsvertrag ein Weisungsverbot. Doch unterstellt die Satzung den Geschäftsführer als Organ des Vereins den Weisungen des Vorstands. Das gilt auch für die vom Beigeladenen vorgelegte geänderte Satzung. Daher kann dahinstehen, ob für die Entscheidung über die Anfechtung des Zulassungsbescheids durch die Rentenversicherung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung oder im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist (vgl. auch Senat BB 2022, 2384 = BeckRS 2022, 25849 Rn. 33). Um im Organverhältnis die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen zu gewährleisten, wäre eine entsprechende Bestimmung in der Satzung selbst erforderlich. Der Beigeladene unterliegt nach § 24 Nr. 2 S. 1 der Satzung der Aufsicht und der Weisung des Vorstands. Diese – durch die am 28.7.2022 eingetragene Satzungsänderung unberührt gelassene – Regelung bewirkt, dass die Stellung des Beigeladenen mit derjenigen eines Geschäftsführers einer GmbH vergleichbar ist. Der Geschäftsführer einer GmbH hat gem. § 37 Abs. 1 GmbHG die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Danach hat er grundsätzlich Weisungen der Gesellschafterversammlung – sei es im Einzelfall oder als allgemeine Richtlinie – zu jeder Geschäftsführerangelegenheit zu befolgen, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung enthält (vgl. Senat NJW-RR 2022, 1354 Rn. 29 = NJW 2022, 3236 Ls. und NJW 2021, 629 Rn. 11 m.w.N. sowie NZG 2022, 286 = AnwBl Online 2022, 106 Rn. 19). Ein nur dienstvertraglich vereinbartes Weisungsverbot reicht hingegen nicht aus (vgl. ausführlich hierzu Senat NJW 2021, 629 Rn. 12 ff.). Das Weisungsrecht in § 24 Nr. 2 S. 1 der Satzung regelt das Innenverhältnis zwischen den Organen Geschäftsführer und Vorstand und ist entgegen der Ansicht des Beigeladenen keine arbeitsvertragliche Regelung. (...) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der Geschäftsführer aufgrund der am 28.7.2022 eingetragenen Satzungsänderung „nur“ noch ein besonderer Vertreter i.S.d. § 30 BGB sein soll. Denn auch dieser ist ein Vereinsorgan, dessen Stellung im Innenverhältnis sich nach der Satzung richtet (vgl. MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl., BGB § 30 Rn. 11). Soweit es um die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers gegenüber dem Vorstand geht, enthält die geänderte Satzung dieselbe Vorschrift wie die bisherige Fassung. Auch § 24 Nr. 3 ist weiterhin in der Satzung enthalten. Das in der Satzung verankerte Weisungsrecht wird durch den Anstellungsvertrag nicht ausgeschlossen. (...) Weichen die Bestimmungen in Satzung und Anstellungsvertrag voneinander ab, so gehen die Bestimmungen der Satzung den Bestimmungen des Anstellungsvertrags vor (Grundsatz der Nachrangigkeit des Anstellungsvertrags zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis; vgl. Senat NJOZ 2019, 964 Rn. 19 = NJW 2019, 2783 Ls.). Daher sind Weisungen vom Geschäftsführer auch dann zu beachten, wenn diese im Widerspruch zu seinem Anstellungsvertrag stehen (vgl. Senat NJW 2021, 629 Rn. 15). Davon geht auch der Anstellungsvertrag in der Aufzählung in § 1 Abs. 5 aus, wonach als maßgeblich für die Führung der Geschäfte des Beigeladenen an zweiter Stelle die Satzung genannt wird und erst an fünfter Stelle der Vertrag. Soweit der Beigeladene einen effektiven Eingriff in seine fachliche Unabhängigkeit nicht für möglich hält, bezieht sich diese Argumentation auf Weisungen in einem Einzelfall. Ein Eingriff kann aber auch in allgemeinen Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen (vgl. BR-Drs. 278/15, 31 f.). Soweit der AGH ausführt, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass der Beigeladene tatsächlich Weisungen seitens des Vorstands erhielte und dass die Erteilung von Weisungen fernliegend sei, betrifft dies nur die tatsächliche Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit und ändert nichts an der fehlenden vertraglichen Gewährleistung (vgl. Senat NJW 2021, 629 Rn. 18). Im Übrigen erschließt sich nicht, warum der Umstand, dass der Vorstand – wie der AGH annimmt – mit juristischen Laien besetzt ist, dafür sprechen soll, dass der Vorstand das Weisungsrecht nicht ausüben wird. Denn genauso denkbar ist, dass der Vorstand dem Geschäftsführer bestimmte Richtlinien für seine Tätigkeit vorgibt, weil er der Ansicht ist, dass die fachlichen Belange der Druckindustrie und Medienbranche zum Beispiel bei tariflichen Angelegenheiten auf solche Weise am besten wahrgenommen werden. Besondere Umstände, die es – wie in der Entscheidung des Senats vom 18.3.2019 (NJOZ 2019, 964 Rn. 20 = NJW 2019, 2783 Ls.) – ausnahmsweise als gerechtfertigt erscheinen ließen, eine Unabhängigkeit trotz bestehenden Weisungsrechts zu bejahen, liegen nicht vor. In jenem Fall hatte der dortige Beigeladene seine Geschäftsführerstellung – anders als hier – nur vorübergehend und aufgrund von formalen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen inne. Die fachliche Unabhängigkeit des Beigeladenen war für den Zeitraum vor der am 28.7.2022 eingetragenen Satzungsänderung zudem nicht gegeben, weil er während dieser Zeit – neben den Weisungen des Vorstands – auch die Weisungen der Mitgliederversammlung zu befolgen hatte. Rechtsprechungsübersicht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 15

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