Kammermitteilungen 1/2023

Berufsrechtliche Rechtsprechung EuGH stärkt anwaltliche Verschwiegenheitspflicht – EuGH, Urteil vom 8.12.2022 – RS C-694/20 Mit einer neuen Entscheidung (Urt. v. 8.12.2022, RS C-694/20) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein für die Anwaltschaft positives Zeichen gesetzt und das Berufsgeheimnis der Anwaltschaft von luxemburgischer Seite aus in der europäischen Staatengemeinschaft deutlich gestärkt. Zum Hintergrund: Die DAC 6-Richtlinie sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Steuerplanungen (solche Gestaltungen, die zu Steuerhinterziehung und Steuerbetrug führen könnten), diese an die zuständigen Steuerbehörden gemeldet werden müssen. Diese Verpflichtung betrifft auch diejenigen, die Unterstützung oder Beratung leisten – wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Allerdings kann jeder Mitgliedstaat gemäß der EU-Richtlinie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von dieser Pflicht befreien, wenn sie gegen eine nach nationalem Recht vorgesehene Verschwiegenheitspflicht verstoßen würden. In solchen Fällen sind die sog. „Intermediäre“ jedoch verpflichtet, andere Intermediäre oder, falls es keine solchen gibt, den relevanten Steuerpflichtigen, unverzüglich über ihre Meldepflichten den zuständigen Behörden gegenüber zu unterrichten, Art. 8ab Abs. 5 DAC 6-Richtlinie. Anders als der deutsche Gesetzgeber hat der belgische Gesetzgeber von dieser Befreiungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Das flämische Dekret zur Umsetzung der EU-Richtlinie sieht vor, dass ein an einer grenzüberschreitenden Steuerplanung beteiligter Rechtsanwalt, der durch das Berufsgeheimnis gebunden ist, andere Intermediäre davon informieren muss, dass er der Meldepflicht nicht nachkommen kann. Zwei Berufsverbände für Rechtsanwälte hatten sich an den belgischen Verfassungsgerichtshof gewandt, da es nach ihrer Ansicht unmöglich sei, der Verpflichtung zur Unterrichtung der anderen Intermediäre nachzukommen, ohne das Berufsgeheimnis zu verletzen. Der belgische Verfassungsgerichtshof hat diese Frage dem Gerichtshof vorgelegt. Der EuGH hat dazu entschieden, dass hierin ein Eingriff in das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant liege. Art. 8ab Abs. 5 der DAC 6-Richtlinie sei im Lichte von Art. 7 der Charta ungültig. Damit stellte der EuGH noch einmal ganz deutlich klar, dass Art. 7 der EU-Grundrechte-Charta die Vertraulichkeit jeder Korrespondenz zwischen Privatpersonen schützt und die Korrespondenz zwischen Anwaltschaft und ihrer Mandantschaft einem verstärkten Schutz unterliegt. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten kommt in einer demokratischen Gesellschaft eine besondere Rolle zu, sie haben die grundlegende Aufgabe, die Verteidigung der Rechtsunterworfenen zu übernehmen. Diese Aufgabe erfordert, dass es dem Einzelnen möglich sein muss, sich völlig frei an seine Rechtsanwältin bzw. seinen Rechtsanwalt zu wenden. Dies wird auch in allen Mitgliedstaaten anerkannt. Der besondere Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses ist nicht nur gerechtfertigt, sondern absolut notwendig. Wie bereits in diversen Stellungnahmen seitens der BRAK betont, ist das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, zum Schutz der Mandanteninteressen und zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege unerlässlich. Allerdings hat das begrüßenswerte Urteil des EuGHs keinen zwingenden Einfluss auf die deutschen Regelungen zur Umsetzung der DAC 6-Richtline. Denn von der Befreiungsmöglichkeit des Art. 8ab DAC 6-Richtlinie hat Deutschland keinen Gebrauch gemacht. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil eine Signalwirkung zur Achtung der Vertraulichkeit auf nationaler wie europäischer Ebene entfaltet und sich künftig in der Gesetzgebung widerspiegelt. (jki) Bundesgerichtshof entscheidet zu den Voraussetzungen der Zulassung von Geschäftsführern als Syndikusrechtsanwalt – Frage der grds. Zulässigkeit bleibt offen – BGH, Urteil vom 24.10.2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 Unterliegt der Geschäftsführer eines Verbands nach der Satzung des Verbands der Aufsicht und der Weisung des Vorstands, so führt diese Regelung dazu, dass die Stellung des Geschäftsführers eines in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisierten Verbands mit derjenigen eines Geschäftsführers einer GmbH vergleichbar ist und er somit nicht als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden kann. (...) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gem. § 46a Abs. 1 S. 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gem. § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht. Ob ein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 46 Abs. 2 BRAO vorliegt, kann hier dahinstehen, weil die fachliche Unab14 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

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