Kammermitteilungen 1/2022

Expertise zurückgreifen, die teilweise hochspezialisierten Anwälten zur Verfügung stünden. Ohne dies abschließend bewerten zu wollen, liegt es auf der Hand, dass die kompetente und zügige Bearbeitung von Großprozessen aus den genannten Bereichen in Zeiten rasanter technischer Entwicklungen und immer komplexerer wirtschaftsrechtlicher Strukturen nicht nur sehr gute juristische Kenntnisse, sondern auch ein ausgeprägtes interdisziplinäres – insbesondere betriebswirtschaftliches und technisches – Verständnis erfordert. Dieses besondere Wissen kann von Richterinnen und Richtern, die sich schwerpunktmäßig bzw. ausschließlich mit einer Spezialmaterie beschäftigen, besser erworben, auf aktuellem Stand gehalten und zum Einsatz gebracht werden. Eine „echte“ Spezialisierung und der dafür notwendige Erfahrungsaufbau setzen daher einen ausreichend hohen Geschäftsanfall an Spezialsachen voraus, der nur bezirksübergreifend zu realisieren ist. Gleichzeitig werden die übrigen Gerichte von für sie im laufenden Betrieb nur schwer beherrschbaren Spezial-Großverfahren entlastet, was der Bearbeitung aller übrigen Verfahren ebenfalls zugutekommen sollte. Bei Festlegung der Konzentrations-Rechtsgebiete war entscheidend, dass die Themenfelder eine besondere Bedeutung für den Wirtschafts- und Zukunftsstandort Nordrhein-Westfalen – aber auch für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt – aufweisen („Justiz als Standortfaktor“). Zu guter Letzt sollte die Bündelung an bewährte Branchen- wie Behördenstrukturen im jeweiligen Bezirk anknüpfen und bestehende Schwerpunkte so weiter ergänzen. Um die Spezialisierung bei den Gerichten mit Leben zu erfüllen, bedurfte es natürlich auch der Auswahl von Richterinnen und Richtern, die nicht nur über profunde allgemeine richterliche Erfahrungen verfügen, sondern auch ein besonderes Interesse an der jeweiligen Materie zeigen bzw. schon einschlägige Fachkenntnisse mitbringen. Die für die Geschäftsverteilung zuständigen Präsidien vor Ort sind sich dieser Verantwortung bewusst und vermochten überzeugende Richterpersönlichkeiten zu präsentieren, über die sich die Öffentlichkeit nun auch vor Klageeinreichung auf der Internetseite www.qualitylaw.nrw ein Bild machen kann. In Kombination mit diesen personellen Aspekten sind weitere Rahmenbedingungen geschaffen worden, die im Ergebnis eine effiziente, auf Großverfahren zugeschnittene Verfahrensführung, beispielsweise durch – anfängliche Verfahrenskonferenzen zwecks Strukturierung und Optimierung des „case managements“, – Beweisaufnahmen über mehrere Tage bzw. Wochen „am Stück“, – eine mündliche Verhandlung oder die Vorlage von Dokumenten auf Englisch, – den regelmäßigen Einsatz der Kammer als Kollegium aus drei Berufsrichtern oder aber den Einsatz „passgenauer“ Handelsrichterinnen und Handelsrichter ermöglichen. Zusätzlich werden fachlich bereits spezialisierte Richterinnen und Richter zu Güterichter(inne)n ausgebildet, um den Parteien die Möglichkeit einer gerichtsinternen Fachmediation zu eröffnen, die sogar unter Ausschluss der Öffentlichkeit – mithin völlig vertraulich – durchgeführt werden könnte. Außerdem steht an allen Standorten selbstverständlich eine angemessene technische Ausstattung – beispielsweise moderne Konferenzanlagen für jederzeitige Videobesprechungen – zur Verfügung. Schlussbemerkung Durch das dargestellte „Maßnahmenbündel“ verfolgt die NRW- Justiz das Ziel, in drei für das Land – aber auch den Bund – zukunftsweisenden Rechtsgebieten attraktive Verfahrensangebote zu unterbreiten, die von den Rechtssuchenden neben anderen Streitbeilegungsmechanismen – wie zum Beispiel der Schiedsgerichtsbarkeit – gleichberechtigt in Betracht gezogen werden. Justizminister Peter Biesenbach: „Der Befürchtung, dass die Justiz immer weiter aus dem Wirtschaftsrecht zurückgedrängt wird und bestimmte Vorgänge oder Branchen nicht mehr von staatlicher Rechtsprechung geprägt werden, treten wir durch die gezielte Spezialisierung entschlossen entgegen. Hiermit ist die Hoffnung verbunden, dass unsere Kompetenzzentren wegen ihrer fachkundigen und zügigen Rechtsprechung schon in naher Zukunft eine über die Grenzen des Landes – wie auch des Bundes – hinausgehende Anziehungskraft für das Wirtschaftsleben ausstrahlen werden. Die ersten Reaktionen aus der Anwaltschaft sind jedenfalls sehr ermutigend.“ Das aktuelle Thema KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2022 5

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