Kammermitteilungen 4/2021

Das aktuelle Thema Das beA auf der Zielgeraden – Die aktive Nutzungspflicht kommt am 1.1.2022 Von Rechtsanwältin Julia Kindler, Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf Ab dem 1.1.2022 gilt bekanntlich nach den meisten Prozessordnungen bundesweit die sogenannte aktive Nutzungspflicht für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)1 1 Die Ausnahme bildet weiterhin das Bundesverfassungsgericht – im BVerfGG findet sich bislang keine Verweisungsnorm auf die ERVV. . Für die Anwaltschaft gilt nach dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, dass Schriftsätze nur noch als elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden dürfen, da sie ansonsten unheilbar unwirksam sind. Nur in Ausnahmefällen kann, wenn ein technischer Ausfall unverzüglich glaubhaft gemacht wird, noch der herkömmliche Übermittlungsweg genutzt werden. Auch wenn vermutlich alle Kolleginnen und Kollegen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in der Nutzung des beA geübt und dabei wichtige Erkenntnisse gewonnen haben, gibt der Startschuss zur Aktivphase Anlass, einige Hinweise für die Ausgestaltung der aktiven Nutzungspflicht zu geben: Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten hat eine Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Behörden eingeführt2 2 Grundsätzlich können verschiedene zugelassene Übermittlungswege genutzt werden, wie beispielsweise akkreditierte EGVP-Clients oder DE-Mail mit Absenderbestätigung. , wobei die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs hierbei grundsätzlich bundeseinheitlich und letztlich schrittweise erfolgt: Bereits seit dem 1.1.2018 besteht die passive Nutzungspflicht des beA, die als reine Berufspflicht in § 31a Abs. 6 BRAO geregelt ist. Seither ist jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt als Inhaber des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verpflichtet, die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.3 3 Vgl. BT-Drucksache 17/12634. Diese Verpflichtung trifft auch Syndikusrechtsanwälte – bei einer Doppelzulassung besteht für jede Zulassung ein gesondertes beA. Erforderlich ist eine beA-Karte Basis oder Signatur für jedes einzurichtende Postfach, die über die Bundesnotarkammer zu beziehen ist4 4 Die für die Bestellung erforderliche Safe-ID ist im Anwaltsverzeichnis bei jedem Rechtsanwalt einsehbar. und ein Kartenlesegerät. Ist der Zugang zum beA einmal eingerichtet, können eingehende Dokumente gelesen werden. Der Versand elektronischer Dokumente über das beA erfolgt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Sinnvoll ist es, ein entsprechendes Signaturzertifikat anzuschaffen5 5 In der Geschäftsstelle der RAK können Mitglieder der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung die erforderliche Identifizierung kostenlos durchführen lassen. und die elektronischen Dokumente entsprechend mit einer elektronischen Signatur zu versehen. Soweit eine einfache Basiskarte genutzt wird, ist das elektronische Dokument am Ende mit dem Namen der verantwortenden Person zu versehen und dann von dieser Person aus ihrem beA selbst an das Gericht zu versenden. In den Verfahrensordnungen, also etwa in § 130d ZPOneu6 6 Siehe auch § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO, § 52d FGO, § 32d StPO. wird ab dem 1.1.2022 geregelt, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronische Dokumente zu übermitteln sind. Hieraus folgt, dass die elektronische Form künftig eine Frage der Zulässigkeit und daher vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist. Wird etwa eine Klage nicht in der erforderlichen Form eingereicht, wird diese durch Prozessurteil abgewiesen.7 7 SG Bremen, Beschluss vom 14. Juni 2021 – S 23 AS 677/21 ER. Ein von einer Rechtsanwältin per Fax eingereichter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde als unzulässig abgelehnt, weil dieser nicht auf elektronischem Wege eingereicht worden war (in Bremen gilt die Verpflichtung bereits seit dem 1.1.2021 gem. § 3 Verordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für die Fachgerichtsbarkeiten mit Ausnahme des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum 1. Januar 2021. Auch eine Heilung, etwa nach § 130a Abs. 6 ZPO, wird regelmäßig nicht in Betracht kommen, weil hierzu in Verbindung mit der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV)8 8 Am 26.11.2021 wurde auch die ab dem 1.1.2022 geltende Fassung der Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2022 (ERVB 2022) auf der Grundlage des § 5 ERVV im Bundesanzeiger veröffentlicht. ein Verstoß vorliegen müsste, den es aber nicht gibt, wenn von vorne herein kein elektronisches Dokument und somit der „falsche“ Übermittlungsweg genutzt wurde. Dabei sind von der elektronischen Einreichungspflicht Dokumente ausgeschlossen, die nach materiellem Recht die Vorlage von öffentlichen Urkunden oder Ausfertigungen erforderlich machen. Erleichterungen gelten für Vollstreckungsaufträge nach §§ 754a, 829a ZPO. Auch Unterlagen, die im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zur Weiterleitung an ausländische Stellen bestimmt sind, können weiterhin in Papierform eingereicht werden. Allerdings ist zu beachten: Soweit in KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 4/2021 65

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