Kammermitteilungen 4/2021

nerzeitige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz wurde gebeten, entsprechende Regelungsvorschläge insbesondere auch im Lichte der verfassungsrechtlichen Fragestellungen zu prüfen. Top I.11 Dringender Reformbedarf zur Bewältigung von Massenverfahren Die JuMiKo stellt fest, dass sich einige Anwaltskanzleien und Legal-Tech-Anbieter mittlerweile auf Massenverfahren spezialisiert haben und aktiv Mandanten in großer Zahl anwerben. Auch lassen es einige beklagte Unternehmen in weitem Umfang auf gerichtliche Verfahren ankommen. Die Prozessführung in Massenverfahren stellt die Gerichte vor große Herausforderungen, weil zum Teil sehr umfangreiche und textbausteinartige Schriftsätze ohne hinreichenden Einzelfallbezug eingereicht werden und Terminsvertreter nicht immer sachkundig sind. Es werden oft eine Vielzahl von Verfahren mit ähnlichem Streitgegenstand parallel über mehrere Instanzen geführt. Hinzu kommt, dass zum Teil Parteien die frühzeitige höchstrichterliche Klärung grundlegender Rechtsfragen vermeiden. Die JuMiKo bat die seinerzeitige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, über die Beratungsgegenstände der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Vorabentscheidungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof“ hinausgehende Rechtsänderungen zu erarbeiten, die die effiziente Bewältigung zivilgerichtlicher Massenverfahren gewährleisten. Auch die anstehende Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie und die hierdurch zu schaffenden kollektiven Rechtsschutzmöglichkeiten sollten zu einer besseren Bewältigung der Massenverfahren dienen. TOP I. 12 Insolvenzantragspflicht in Fällen von Naturkatastrophen Die Justizministerinnen und Justizminister bekräftigen vor dem Hintergrund der dramatischen Starkregen- und Hochwasserereignisse aus dem Juli 2021 den bereits bei ihrer Herbstkonferenz am 17.11.2016 gefassten Beschluss, dass vor allem in Fällen, in denen Unternehmen infolge einer Naturkatastrophe unmittelbar Schäden erleiden und dadurch in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, sicherzustellen ist, dass den Betroffenen ausreichend Zeit für die Klärung bleibt, inwieweit die eingetretenen Schäden durch Versicherungsleistungen, staatliche Hilfeleistungen, Zins- und Tilgungsmoratorien und andere Maßnahmen ausgeglichen werden können. Da die Vorschrift des § 15a Insolvenzordnung zur Insolvenzantragspflicht, die eine Antragstellung innerhalb einer Höchstfrist von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung vorsieht, dieser Sondersituation nicht hinreichend Rechnung trägt, bat die JuMiKo die seinerzeitige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz eine allgemeine, für alle künftigen Fälle geltende, dauerhafte Regelung zur Insolvenzantragspflicht in Fällen von Naturkatastrophen vorzuschlagen. TOP I. 14 Pakt für den Rechtsstaat – Stärkungspakt Justiz Die JuMiKo betont noch einmal, dass ein erneuerter Pakt für den Rechtsstaat bei der Weiterfinanzierung der bislang eingerichteten Stellen nicht stehen bleiben darf. Sie sind der Auffassung, dass eine neue Vereinbarung zu einem Pakt für den Rechtsstaat auch gemeinsame Investitionen von Bund und Ländern in die Digitalisierung einschließlich des hieraus entstehenden Personalbedarfs der Justiz der Länder im Sinne eines Stärkungspakts Justiz in den Blick nehmen muss. TOP I. 18 Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte Anknüpfend an ihre früheren Beratungen haben die Justizministerinnen und Justizminister erneut erörtert, dass der Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte gemäß § 23 Nr. 1 GVG zuletzt im Jahr 1993 erhöht wurde. Sie sehen die Möglichkeit von inflationsbedingten Verschiebungen im Geschäftsanfall namentlich zwischen Amts- und Landgerichten nebst einer Fortsetzung dieser Entwicklung in den kommenden Jahren. Die Justizministerinnen und Justizminister erachten es daher auch weiterhin für sinnvoll, den Zuständigkeitsstreitwert einer Überprüfung zu unterziehen und dabei auch die personalwirtschaftlichen und gerichtsorganisatorischen Folgen in den Blick zu nehmen. Zu diesem Zweck richten sie eine Arbeitsgruppe unter Federführung von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein, die – neben dem Zuständigkeitsstreitwert – auch die Wertgrenze für das vereinfachte Verfahren in § 495a ZPO sowie die Berufungs- bzw. Beschwerdewertgrenzen (vgl. etwa § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) einer Überprüfung unterziehen soll. TOP I. 21 Zivilprozess der Zukunft Die Justizministerinnen und Justizminister betonen, dass der Zivilprozess dringend einer Modernisierung und Digitalisierung bedarf, um den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern und die zivilgerichtlichen Verfahren zu beschleunigen und effektiver zu gestalten. Sie baten die seinerzeitige Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz insbesondere die folgenden Vorschläge zu prüfen und gegebenenfalls entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen: a) Auf- bzw. Ausbau eines Online-Portals zur Inanspruchnahme auch von Justizdienstleistungen, b) die Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung, c) die Einführung eines „Beschleunigten Online-Verfahrens“, d) die Schaffung eines Rechtsrahmens für den Einsatz automatisierter Entscheidungen und den Einsatz entscheidungsunterstützender Künstlicher Intelligenz im Kostenfestsetzungsverfahren, Berichte und Bekanntmachungen 74 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 4/2021

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