Kammermitteilungen 4/2021

solchen Fällen zusätzlich eine Abschrift der vorzulegenden oder weiterzuleitenden Dokumente in Papierform für die Akten eingereicht werden soll, gilt die Pflicht zur Einreichung in elektronischer Form.9 9 Vgl. BT-Drucksache 17/12634, S. 27. Ist die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften, wie bisher, zulässig. Es kann also die Übermittlung in Papierform oder Telefax vorgenommen werden, vgl. § 130 Nr. 6 2. HS ZPO, wenn die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft gemacht wird, § 130d S. 2 und 3neu10 10 Entsprechende Vorschriften bestehen für die Fachgerichte. . Auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Irrelevant ist, ob die vorübergehende technische Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder des Rechtsanwalts zu verordnen ist. In Schleswig-Holstein gilt bereits seit dem 1.1.2020 für die Arbeitsgerichtsbarkeit und in Bremen seit dem 1.1. 2021 für alle Fachgerichtsbarkeiten11 11 Ausnahme: LSG Niedersachsen - Bremen in Celle und die Verwaltungsgerichte. die aktive Nutzungspflicht. Die dortigen KollegInnen, Gerichte und Behörden haben daher eine Art Vorreiterrolle übernommen, die auch dazu geführt hat, dass dort bereits einige sich ergebende Rechtsfragen gerichtlich geklärt sind: Das Arbeitsgericht Lübeck hat etwa entschieden, dass die durch technische Gründe bedingte vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente unverzüglich glaubhaft zu machen ist. Eine Glaubhaftmachung bezogen auf die vorübergehende Unmöglichkeit 17 Tage nach der Ersatzeinreichung ist dabei nicht mehr als unverzüglich anzusehen, so die Richter des Arbeitsgerichts in der Entscheidung. Aus wessen Sphäre die technischen Gründe stammen, ist dabei unerheblich.12 12 Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 1.10.2020 - 1 Ca 572/20. Auch das OLG Dresden hat bereits mit Beschluss vom 1.6.202113 13 OLG Dresden, Beschluss vom 1.6.2021 - 4 U 351/21. entschieden, dass durch Organisationsanweisungen sicherzustellen ist, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen zu versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt werden muss. Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat sich ebenfalls bereits mit den Prüf- und Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts beim Versand von beA-Nachrichten beschäftigt. In einem Beschluss vom 11.5.202114 14 BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – VIII ZB 9/20, siehe KammerMitteilungen 3/2021, S. 59. hat sich der Senat mit den Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit fristgebundenen Schriftsätzen per beA auseinander gesetzt. Dabei wurde entschieden, dass die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen. Dies gilt bezogen auf eigene Sorgfaltspflichten aber auch bezogen auf die Kanzleiorganisation: Das zuständige Personal ist anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO zu überprüfen ist. Zudem hat der Rechtsanwalt stichprobenartige Kontrollen durchzuführen.15 15 Siehe – „Die Kammer rät“, S. 76. In einem weiteren Beschluss hat der Bundesgerichtshof einem Rechtsanwalt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, dessen über das beA versandter Schriftsatz bei Gericht erst nach Ablauf der Frist eingegangen war.16 16 BGH, Beschluss vom 29.9.2021 – VII ZR 94/21, siehe S. 78. Der Anwalt hatte den Schriftsatz am letzten Tag der Frist um 21:33 Uhr per beA zu versenden versucht. Im Übermittlungsprotokoll wurde die Signaturprüfung als „erfolgreich“ bestätigt. In der Spalte „Meldungstext“ aber hieß es: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden“. Der Übermittlungsstatus lautete „fehlerhaft“. Für die nötige anwaltliche Prüfung, ob ein Dokument erfolgreich ans Gericht übertragen wurde, reiche es danach nicht aus, dass das beA die Signaturprüfung als „erfolgreich“ bestätigt. Was zählt, ist der Übermittlungsstatus in der Spalte „Meldungstext“. Der Senat verwies auch in dieser Entscheidung auf die Sorgfaltspflichten beim Versand von Dokumenten per Fax. Der Rechtsanwalt müsse kontrollieren, ob der Eingang des Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO bestätigt wurde. Bleibt eine Eingangsbestätigung aus, muss er den Vorgang überprüfen und den Schriftsatz gegebenenfalls erneut versenden. Der Senat stellt insbesondere klar, dass eine Signaturprüfung nicht ausreiche. Dass sie als erfolgreich ausgewiesen wurde, hilft dem Anwalt nicht, wenn das Übermittlungsprotokoll den Eingang des Schriftsatzes gerade nicht bestätigt, sondern die Übermittlung als fehlerhaft bezeichnet hat. Dann hätte der Anwalt, so der Senat, erkennen müssen, dass zumindest die Gefahr bestand, dass sein Schriftsatz nicht übermittelt worden war und einen neuen Versuch unternehmen müssen. Tut er das nicht, trifft ihn hinsichtlich der versäumten Frist ein Verschulden, das sein Mandant sich zurechnen lassen muss. Das OLG Braunschweig und das OLG Dresden haben sich jeweils mit der elektronischen Signatur eines Dokuments beschäftigt. In Fällen, in denen Dokumente übersandt werden, die der Schriftform unterliegen, reicht der bloße Nachweis über den Versand einer Nachricht nicht aus. Es ist zusätzlich zu überprüfen, ob die Schriftform eingehalten worden ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Schriftsatz eine gültige qualifizierte elektronische Signatur trägt oder wenn die Nachricht über einen sicheren Übermittlungsweg versandt wurde. Das aktuelle Thema 66 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 4/2021

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