Aus dem Inhalt www.rak-dus.de Informationen und offizielle Verlautbarungen 20. Jahrgang · Nr. 3 15.9.2024 · S. 43–68 Das aktuelle Thema 44 Nachvertragliche Pflichten bei Beendigung des Mandates – welche Haftungsfallen drohen? (Von RAin Leonora Holling) Berichte und Bekanntmachungen 50 Anwaltliche Rechnungen bedürfen nicht mehr der Schriftform 51 Freie Berufe: Zukunftssorgen und Fachkräftemangel nehmen zu 52 Neue Auslegungs- und Anwendungshinweise zum GwG Die Kammer rät 53 Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant: mehr Schlichtung wagen (Von Uta Fölster, Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft) Berufsrechtliche Rechtsprechung 55 Keine Beteiligung einer Steuerberater-BAG an anwaltlicherBAG
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Informationen und offizielle Verlautbarungen 12. Jahrgang Nr. 4 31.12.2016 Inhaltsverzeichnis 20. Jahrgang Nr. 3 15.9.2024 Editorial 43 Das aktuelle Thema Nachvertragliche Pflichten bei Beendigung des Mandates – welche Haftungsfallen drohen? (von RAin Leonora Holling) 44 Berichte und Bekanntmachungen Anwaltliche Rechnungen bedürfen nicht mehr der Schriftform 50 Elektronischer Rechtsverkehr: Formerleichterungen in Kraft getreten 50 Freie Berufe: Zukunftssorgen und Fachkräftemangel nehmen zu 51 Neue Auslegungs- und Anwendungshinweise zumGwG 52 BRAK nimmt Stellung: Rechtsanwaltsberuf soll Beamten verwehrt bleiben 52 Die Kammer rät Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant: mehr Schlichtung wagen 53 (von Uta Fölster, Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft) Berufsrechtliche Rechtsprechung Keine Beteiligung einer Steuerberater-BAG an anwaltlicher BAG 55 Veranstaltungshinweise Kammerveranstaltungen im 4. Quartal 2024 56 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 III
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Editorial Den Rechtstaat gibt es nicht zum Nulltarif Leonora Holling Liebe Kolleginnen und Kollegen, die überraschende Ankündigung des Ministeriums der Justiz NRW Ende Juni 2024, die Referendarzeit ab September zu verkürzen und zugleich die Einstellungsquote in den juristischen Vorbereitungsdienst signifikant zu verringern, schlug ein wie eine Bombe. Nach den zahlreichen Protesten Betroffener, darunter eine Demonstration von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare vor dem Justizministerium, wurde zumindest die Verkürzung der Ausbildungszeit nun ins nächste Jahr verschoben. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass der juristische Vorbereitungsdienst demnächst weniger Zeit für die letzten Ausbildungsstationen lässt und sich die Wartezeit zwischen erstem juristischem Staatsexamen und Aufnahme in den Vorbereitungsdienst deutlich verlängern dürfte. Diese Entwicklung muss auch die Anwaltschaft mehr als besorgt machen. Angesichts des steigenden Bedarfs an hochqualifiziertem juristischem Nachwuchs ist eine Verringerung der Ausbildungsquote durch die Justiz kontraproduktiv. Es darf zudem befürchtet werden, dass die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes unmittelbare Auswirkung auf die Verweildauer der Referendarinnen und Referendare in den Kanzleien haben wird. Die Attraktivität des Vorbereitungsdienstes in NRW dürfte durch die Maßnahmen insgesamt erheblichen Schaden nehmen. In der notwendigen Diskussion sollte zugleich die Ursachenforschung nicht außer Acht gelassen werden. Wie schon bei dem zähen Ringen um eine Anpassung der anwaltlichen Gebühren nach dem RVG erkennbar, scheinen auch hier die Interessen des Landesfiskus den Handlungsspielraum der Justiz zu dominieren. Dieser Entwicklung muss die Anwaltschaft entschieden entgegentreten. Ein Rechtstaat, der womöglich nicht nur am Vorbereitungsdienst spart, sondern demnächst auch an Richterstellen, gerät in eine gefährliche Schieflage. Die Anwaltschaft hat bereits vor Jahren mit dem „Pakt für den Rechtstaat“ ihre uneingeschränkte Bereitschaft erklärt, die wichtige Aufgabe der Verteidigung des Rechtstaates mitzutragen. Daher werden wir alle gemeinsam und auch unter Einbeziehung der fiskalischen Herausforderungen Lösungswege erarbeiten müssen. Die Rechtsanwaltskammern sind bereit, das bereits begonnene Gespräch mit den Verantwortlichen fortzusetzen. Ihre Leonora Holling Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 43
Das aktuelle Thema Nachvertragliche Pflichten bei Beendigung des Mandates – welche Haftungsfallen drohen?1 Von Rechtsanwältin Leonora Holling, Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf 1 Erschienen in ZAP 9/2024, S. 421 ff. Bei der anwaltlichen Tätigkeit ist die Beachtung der vertraglichen Pflichten aus dem Anwaltsvertrag für jede Rechtsanwältin und jeden Rechtsanwalt bestens bekannt. Die dort drohenden Haftungsrisiken sind in Literatur und Rechtsprechung ausführlich beschrieben. Doch auch nach Ende des Mandates drohen nicht zu unterschätzende Haftungsrisiken, die bekannt sein sollten. I. Einleitung Jedes Mandat ist einmal beendet. Diese Erkenntnis mag banal klingen, bedarf jedoch tatsächlich einer tieferen Betrachtung. Wann nämlich ist ein Mandat wirklich beendet und wieso ist das so relevant? Mit der Beendigung des Mandates enden in erster Linie die unmittelbaren Sorgfaltspflichten der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwaltes aus dem Anwaltsdienstvertrag. Sicher als beendet anzusehen ist das Mandat, wenn Rechtsanwalt oder Auftraggeber den Anwaltsvertrag aufkündigen. Dann steht auch der Beendigungszeitpunkt des Mandates eindeutig fest. Schwieriger wird es jedoch, wenn das Mandat durch Erfüllung des Auftrages gemäß § 13 RVG beendet wird. Im Einzelfall mag es nämlich durchaus umstritten sein, ob und wann eine solche Erfüllung eingetreten ist. Dennoch ist die Bestimmung des genauen Beendigungszeitpunktes des Mandates elementar wichtig, da die eigentlich anwaltliche Tätigkeit – und damit die Pflicht zur bestmöglichen Erfüllung des Auftrages – hier sein Ende findet. Im Anschluss des Mandates treffen die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt sodann nachvertragliche Pflichten im Zusammenhang mit dem Auftrag. Diese nachvertraglichen Pflichten sollten nicht unterschätzt werden, da deren Verletzung sowohl berufsrechtliche Konsequenzen, als auch Schadenersatzansprüche des Mandanten nach sich ziehen kann. Die Kenntnis dieser Pflichten ist daher für jeden Rechtsanwalt unabdingbar. II. Regelmäßige anwaltliche Pflichten bei Mandatsende Nicht alle denkbaren nachvertraglichen Pflichten entstehen bei Beendigung des anwaltlichen Mandates. Eine ganze Reihe dieser Pflichten ist jedoch stets gegeben und findet sich insoweit auch kodifiziert in den Berufsordnungen. 1. Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung a) Abrechnung nach Abgabeordnung Bei jeder Beendigung eines Mandates besteht aufgrund des § 23 der Berufsordnung (BORA), welche seit dem 1.6.2023 neu gefasst wurde, die Pflicht die geleistete Tätigkeit gegenüber dem Mandanten bzw. Dritten, wie etwa einer Rechtsschutzversicherung, unverzüglich abzurechnen. Unter einer Abrechnung hat man dabei eine nach der Abgabenordnung ordnungsgemäße Rechnungslegung zu verstehen. Diese Rechnung muss daher mindestens eine Rechnungsnummer, einen Abrechnungszeitraum sowie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Rechtsanwaltes enthalten. Außerdem ist der Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet, eine schriftliche Abrechnung mit Originalunterschrift zu erteilen. Auf die inhaltliche Richtigkeit der Rechnung kommt es dabei im Rahmen von § 23 BORA nicht an. Außerdem hat die Abrechnung unverzüglich zu erfolgen. Der Begriff der Unverzüglichkeit ist an dieser Stelle wohl weiter zu fassen, als etwa die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeldern. Bei Letzteren geht die berufsrechtliche Rechtsprechung regelmäßig von einer sehr kurzen Frist von bis zu drei Tagen aus. Vorliegend kann die unverzügliche Abrechnungspflicht eher als Abrechnung <ZEICHEN FORM=„BOLD“>„ohne schuldhaftes Zögern“ begriffen werden. Gerade bei komplizierten Mandatsverhältnissen mit vielen Einzelverfahren, wie etwa im Familienrecht, oder bei einer Mehrheit von Mandanten/Dritten, wird man dem Rechtsanwalt für eine ordnungsgemäße Abrechnung mehr Zeit lassen müssen. Tatsächlich haben sich in der Vergangenheit Berufsrechtverstöße daher auch meist nur bei solchen Konstellationen ergeben, wo bei gleichzeitiger Zahlung hoher Vorschüsse tatsächlich nach Mandatsende keinerlei Abrechnung auch noch nach Monaten erfolgt ist. Wurde dann auf Intervention des Mandanten oder der Rechtsanwaltskammer abgerechnet, ergaben sich häufig hohe Rückzahlungsverpflichtungen des betroffenen Rechtsanwaltes wegen vereinnahmter Gebührenüberschüsse. Ein solch verspätete Abrechnung kann nicht nur berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern ist durchaus auch strafrechtlich relevant. Zu denken ist 44 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024
hier etwa an den Tatbestand der (versuchten) Untreue oder auch des (versuchten) Betruges. Darüber hinaus existiert zudem der Tatbestand der Gebührenüberhebung, dessen Anwendung aber meist auf die Fälle beschränkt ist, bei denen Gebührentatbestände schlicht erfunden wurden. b) Aufrechnung mit Fremdgeldern Ist formal durch den Rechtsanwalt ordnungsgemäß abgerechnet, kann dieser seinen offenen Gebührenanspruch auch mit bestehenden Fremdgeldern aufrechnen. Eine Aufrechnung ist allerdings nur mit Fremdgeldern, die dem Mandanten zustehen möglich, § 4 Abs. 2 BORA. Insoweit gilt der Grundsatz: erst abrechnen, dann aufrechnen. c) Amtliche Verwahrung von Vermögenswerten und Fremdgeldern Gehen Vermögenswerte und Gelder erst nachBeendigung des Mandates bei dem Rechtsanwalt ein, sind diese, genau wie während des bestehenden Mandates, sorgfältig zu behandeln. Insbesondere sind Fremdgelder nach wie vor unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten, soweit es sich tatsächlich um Fremdgelder handelt, § 43a Abs. 7 BRAO, § 4 Abs. 1 S. 1 BORA. Ist eine Weiterleitung nicht möglich, etwa weil eine Kontaktaufnahme mit dem früheren Mandanten scheitert, wird der Rechtsanwalt die Gelder inamtliche Verwahrung geben müssen. Keinesfalls kann er sie auf eigenen Konten „verwahren“. Auch die Verwahrung auf einem Fremdgeldkonto dürfte problematisch sein, da völlig offen ist, wann dieses Geld weitergeleitet werden kann. d) Abtretung der Honoraransprüche Hat der Rechtsanwalt im Vorfeld des Mandates seine Honoraransprüchen nach § 49b Abs. 4 S. 1 BRAO an andere „Rechtsanwälte oder eine Berufsausübungsgesellschaft“ abgetreten, dürfte ihn eine eigene Abrechnungsverpflichtung nicht mehr bei Mandatsende treffen. Allerdings ist eine solche Abtretung nur mit ausdrücklicher schriftlicher Einwilligung des Mandanten möglich, § 43b Abs. 4 S. 2 2. HS BRAO. Zudem muss der Mandant über die Informationspflichten des abtretenden Rechtsanwaltes an den neuen Gläubiger vor der Erteilung der Einwilligung durch den Rechtsanwalt aufgeklärt werden. Immerhin ist nämlich eine sinnvolle Verfolgung des Honoraranspruches seitens des neuen Gläubigers nur dann möglich, wenn dieser den Inhalt des Mandates genau kennt. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ist daher gegenüber diesen Rechtsanwälten durch den abtretenden Rechtsanwalt nicht mehr einzuhalten. Wird gegen die Hinweispflichten verstoßen, ist die Abtretung in der Regel unwirksam. Möglicherweise kommen in diesem Fall Schadenersatzansprüche der die Abtretung annehmenden Kanzlei in Betracht. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass bei einer unwirksamen Abtretung möglicherweise bereits relevante Informationen über das Mandat formal an Dritte weitergegeben wurden. Neben demberufsrechtlichen Überhang, der zu einem Berufsrechtsverfahren führen dürfte, sind hier strafrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Der Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung stellt den Tatbestand des Geheimnisverrates zum Nachteil des Mandanten dar und kann im schlimmsten Fall sogar zu einem Verlust der Rechtsanwaltszulassung führen. 2. Umgang mit Handakten Eine Regelung zum Umgang des Rechtsanwaltes mit seinen Handakten findet sich im § 50 BRAO. a) Elektronische Akte, Handakte In § 50 Abs. 4 BRAO ist dabei nunmehr auch ausdrücklich die elektronische Akte der bisherigen Papierakte (als Handakte) gleichgestellt worden. Die Handakte umfasst dabei diejenigen Schriftstücke und Dokumente, die der Rechtsanwalt ausschließlich zur Bearbeitung des Mandates selbst zusammengestellt hat. So gehört etwa die Akte betreffend die Geldwäscheprüfung des Mandanten nicht zur Handakte. Auch Unterlagen des Mandanten, die dem Rechtsanwalt ohne direkten Bezug zur Handakte ausgehändigt werden, sind hiervon nicht erfasst. b) Aufbewahrungspflicht und Herausgabeprotokoll Im Hinblick auf die Handakte besteht für die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt nach Beendigung des Mandates eine Aufbewahrungspflicht von nur noch sechs Jahren(§ 50 Abs. 1 S. 2 BRAO). Dabei beginnt die Aufbewahrungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Auftrag beendet wurde. Allerdings ist zu beachten, dass die BRAO diesbezüglich nur von der Handakte des Rechtsanwaltes spricht. Eine Ausnahme bilden insoweit vollstreckungsfähige Titel zuGunsten des Mandanten, die sich ebenfalls in dieser Akte befinden können. Diese Titel sollten an den Mandanten vor Ablage der Handakte daher sinnvoller Weise herausgegeben werden. Nicht zu vergessen ist dabei der Hinweis an den Mandanten, dass der Titel für 30 Jahre vollstreckungsfähig ist. Über die Herausgabe sollte deshalb unbedingt ein Herausgabeprotokoll gefertigt werden, welches der Mandant unterzeichnet. Wurde der Titel, aus welchen Gründen auch immer, nicht herausgegeben, empfiehlt es sich vor Vernichtung der Handakte nach Fristablauf, diesen Titel auszusortieren und weiter aufzubewahren. Ob ein Schadenersatzanspruch des Mandanten bei Vernichtung gegeben ist, dürfte trotzdem fraglich sein. In einem solchen Fall Das aktuelle Thema KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 45
sollte der frühere Mandant darauf verwiesen werden, beim seinerzeit erkennenden Gericht eine neue vollstreckbare Ausfertigung des Titels anzufordern. c) Herausgabepflicht an der Handakte Neben der Aufbewahrungspflicht des Rechtsanwaltes an seiner Handakte besteht zudem eine Herausgabepflicht an der Handakte und übergebener Dokumente für die Handakte auf Verlangen des Mandanten gemäß § 50 Abs. 2 S. 1 BRAO. Eine entsprechende Verpflichtung auf Herausgabe der Handakte soll den Rechtsanwalt im Übrigen auch gegenüber dem Insolvenzverwalter des Mandanten treffen. Entsprechendes dürfte wohl auch für dieErbenals Rechtsnachfolger gelten. Die Herausgabepflicht besteht hingegen nicht imHinblick auf die Korrespondenz zwischen demMandanten und seinem Rechtsanwalt sowie für diejenigen Schriftstücke, die der Mandant bereits in Ur- oder Abschrift zuvor erhalten hat. Der Rechtsanwalt ist nämlich nicht verpflichtet, dem Mandanten kostenlos unbegrenzt neue Abschriften der Schreiben zur Verfügung zu stellen, die dem Mandanten bereits übermittelt wurden. d) Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwaltes Gegen das Herausgabeverlangen des Mandanten an der Handakte steht dem Rechtsanwalt nur dann ein eigenes Zurückbehaltungsrecht zu, soweit gegenüber dem Mandanten offene Gebührenforderungen nach Mandatsende (fort-)bestehen. Die Vorschrift der BRAO stellen diesbezüglich klar, dass der Rechtsanwalt über das ihm zustehende Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem zahlungsunwilligen Mandanten geltend machen kann. Zahlt der frühere Mandant sodann die Gebühren, entfällt natürlich auch sofort das Zurückbehaltungsrecht des Rechtsanwaltes. Dieses Zurückbehaltungsrecht gilt allerdings nicht unbeschränkt. Es soll so ausdrücklich etwa entfallen, soweit die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an der Handakte „unangemessen“i.S.d. § 50 Abs. 3 S. 2, § 17 S. 1 BORA ist. In Betracht kommt eine solche Unangemessenheit etwa dann, wenn dem Mandanten durch die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes erheblicher Rechtsverlust droht. Vermögensnachteile oder die Gefahr eines nicht adäquat zu führenden Rechtsstreits durch einen neuen Rechtsanwalt gehören allerdings nicht dazu. Vielmehr muss die Existenz des früheren Mandanten gefährdet sein. Kein Zurückbehaltungsrecht steht dem Rechtsanwalt daher bei vollstreckungsfähigen Unterhaltstitelnzur Seite, da mit diesen ja gerade der Unterhalt des ehemaligen Mandanten sichergestellt werden soll. Es empfiehlt sich aus dem Gedanken auch der nachvertraglichen Fürsorgepflicht trotzdem immer zu prüfen, ob dem Mandanten wenigstens Kopien der Handakte zur Verfügung gestellt werden können. Eine andere Möglichkeit könnte sein, die Handakte einem beauftragten Kollegenoder neuen Prozessbevollmächtigten zu treuen Händen zu überlassen (§ 17 S. 2 BORA). Diese Überlegungen sind deshalb anzustellen, weil nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass in einem nachfolgenden Gebührenrechtsstreit der Anspruch des Rechtsanwaltes abgewiesen werden könnte. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wäre dann rechtswidrig gewesen und zugleich conditio sine qua non für einen möglichen Rechtsverlust des früheren Mandanten im Ausgangverfahren. Dies dürfte insoweit einen Schadenersatzanspruch des früheren Mandanten begründen. e) Keine Aufbewahrungspflicht nach Empfangsaufforderung Der Rechtsanwalt kann den Mandanten aber auch auffordern, die Handakte nach Mandatsende in Empfang zu nehmen. Dadurch erspart sich der Rechtsanwalt die oft aufwendige und auch kostenintensive Aufbewahrung, was insbesondere bei Papierakten und dem Erfordernis deren Lagerung häufig wünschenswert ist. Holt der Mandant die Akte nicht innerhalb von sechs Monaten ab, besteht keine Aufbewahrungspflicht mehr und der Rechtsanwalt darf die Akte schlicht vernichten (§ 50 Abs. 2 S. 3 BRAO). Formulierungsbeispiel: „... fordere ich Sie vorliegend auf, die Handakte bis zum...hier gegen Empfangsbekenntnis in meiner Kanzlei abzuholen. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, weise ich darauf hin, dass die Handakte binnen einer Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Frist zur Abholung durch mich vernichtet werden darf und auch wird. Eine Aufbewahrungspflicht an der Handakte besteht nach Ablauf dieser Frist nicht mehr. Etwaige Rechtsverluste wegen Vernichtung der Handakte führen dann zu keinerlei Schadenersatzansprüche Ihrerseits.“ f) Kopie der Handakte zur eigenen Beweisführung Allerdings sollte man immer zugleich bedenken, dass im Falle eines späteren Regressverfahrens der Besitz der Handakte zur eigenen Beweisführung sehr wichtig werden kann. Aus diesem Grund empfiehlt es sich stets, bei einem Herausgabeverlangen des Mandanten eine eigene Kopie der Handakte zu behalten. Regelmäßig wird der Mandant die Handakte nämlich nicht ohne Grund herausverlangen, sondern es steht zu erwarten, dass ein Regressanspruch geltend gemacht werden soll. g) Aktenvernichtung und Vernichtungszertifikat Ist die Aufbewahrungsfrist für die Handakte abgelaufen, muss diese ordnungsgemäß vernichtet werden. Das Das aktuelle Thema 46 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024
bedeutet, dass ein auf die Aktenvernichtung spezialisiertes Unternehmen die Vernichtung übernehmen muss. Der Rechtsanwalt hat das entsprechende Vernichtungszertifikat tunlichst aufzubewahren. Welche Frist hierfür angemessen ist, lässt sich pauschal leider nicht beantworten. In der Vergangenheit kam es zu Fällen, in welchen Aktenbestandteile im Hausmüll auf einer Deponie aufgefunden wurden. Allerdings konnte der Verpflichtete nachweisen, die Akten bereits Jahre zuvor durch eine Aktenvernichtung entsorgt zu haben und auch das entsprechende Zertifikat vorlegen. Kann ein entsprechendes Vernichtungszertifikat hingegen nicht vorgelegt werden, besteht der begründete Verdacht, dass eine ordnungsgemäße Verwahrung der Handakten nicht erfolgt ist. Die nicht ordnungsgemäße Vernichtung der Handakte stellt einen Berufsrechtsverstoß dar. Im schlimmsten Fall könnte diese Nachlässigkeit sogar strafrechtlich den Tatbestand eines Geheimnisverrates umfassen, soweit nicht insoweit Verjährung eingetreten sein sollte. Die Verpflichtung zur entsprechenden Aufbewahrung oder Vernichtung der Handakte trifft daher auch den Rechtsanwalt, der seine Zulassung nicht mehr besitzt bzw. der diese zurückgegeben hat und gegen den ein Berufsrechtsverfahren nicht mehr geführt werden kann. Die Aufbewahrungsund Vernichtungspflichten gelten in strafrechtlicher Hinsicht auch für Erbendes früheren Rechtsanwaltes. 3. Fortdauer der Verschwiegenheitspflicht Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unterliegen bei ihrer Tätigkeit der Verschwiegenheit. Entsprechende Vorschriften finden sich im § 43a Abs. 2 S. 1 bis 3 BRAO sowie im § 2 Abs. 1 S. 2 der BORA. Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwaltes ist während des bestehenden Mandats allgemein den Berufsträgern bestens bekannt. Schwieriger gestaltet sich die Frage der Verschwiegenheit jedoch, wenn das Mandat endet und der Rechtsanwalt sich über die Fortdauer der Verschwiegenheitsverpflichtung aus konkretem Anlass Gedanken machen muss. Dabei sind verschiedene Fallkonstellationen nach Mandatsende zu unterscheiden. a) Abrechnung gegenüber Rechtsschutzversicherung Im Falle der Abrechnung des Mandates gegenüber einer Rechtsschutzversicherung ist inzwischen wohl allgemeine Meinung, dass den Rechtsanwalt gegenüber der Rechtschutzversicherung keine Verschwiegenheitsverpflichtung trifft. Vielmehr ist sogar von einer konkludenten Entbindung von der Schweigepflicht durch den Mandanten auszugehen, wenn dieser zum Zwecke der Abrechnung dem Rechtsanwalt seine Rechtsschutzversicherungsdaten übermittelt. Insoweit liegt keinerlei Berufsrechtsverstoß vor. b) Gerichtliche Durchsetzung des Gebührenanspruchs Erfolgt die Abrechnung des Mandats gegenüber dem Mandantenund zahlt dieser nicht, wird der Rechtsanwalt seinen Gebührenanspruch gerichtlich durchsetzen müssen. Auch insoweit wird er sich in die Lage versetzt sehen, den Inhalt des Mandates, etwa zur Erläuterung der Kriterien nach § 14 Abs. 1 RVG, gegenüber demGericht offen legen zu müssen. Ein Berufsrechtsverstoß wird hier nur vermieden, wenn der Rechtsanwalt in seiner Klageschrift zunächst ausschließlich darlegt, dass eine anwaltliche Dienstleistung Gegenstand der Forderung ist und in welcher Höhe diese geltend gemacht wird. Verteidigt sich der Mandant sodann im Folgenden gegen den Gebührenanspruch des Rechtsanwaltes, anstatt ihn schlicht anzuerkennen, darf der Rechtsanwalt im nächsten Schriftsatz dann die Einzelheiten des Mandates in aller Ausführlichkeit zur Begründung der geltend gemachten Forderung schildern. Insofern geht das Berufsrecht nämlich davon aus, dass in der Verteidigungshaltung des früheren Mandanten gegen den Gebührenanspruch seines Rechtsanwaltes jedenfalls zumindest eine konkludente Einwilligung in die Entbindung von der anwaltlichen Schweigepflicht zu erblicken ist. Auch hier drohen weder Verfahren wegen Verstoßes gegen das Berufsrecht, noch Schadenersatzansprüche des Mandanten. c) Strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Rechtsanwalt Kommt es nach Beendigung des Mandates und mit diesem im Zusammenhang stehend einmal zu einemstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Rechtsanwalt ist dieser ebenfalls nicht an seine anwaltliche Schweigepflicht gebunden. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, da sich jeder, auch ein Rechtsanwalt, gegen einen strafrechtlichen Vorwurf vollumfänglich verteidigen können muss. Dies gilt selbst dann, wenn der Mandant selbst in keiner Weise Anlass für die strafrechtliche Verfolgung des Rechtsanwaltes gegeben hat. d) Auskunftswunsch Dritter Problematisch ist desweitern der Fall, wenn Dritte nach Beendigung des Mandates Auskunft über das Mandat wünschen. Das Problem des auskunftssuchenden Insolvenzverwalters ist zuvor bezüglich der Herausgabe der Handakte bereits angesprochen worden. Denkbar sind aber auch etwa Erben, die Auskunft über das frühere Mandat wünschen. Hier wird der Rechtsanwalt den mutmaßlichen Willen seines früheren Mandanten erforschen müssen und dann selbst entscheiden, ob er einem solchen Auskunftsverlagen entspricht. Ein einklagbarer Auskunftsanspruch ist abzulehnen. Allerdings könnte sich der Rechtsanwalt dem Versuch ausDas aktuelle Thema KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 47
gesetzt sehen, im Falle seines Schweigens bei geeigneten Fällen auf Schadenersatz verklagt zu werden. III. Weitere Pflichten bei Mandatsende Neben den bereits beschrieben, und bei jedem Mandatsende die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt treffenden Pflichten, kann es bei bestimmten Mandatskonstellationen zu weiteren Pflichten kommen, die beachtet werden müssen. Deren Nichtbeachtung ist in der Regel besonders schadenersatzträchtig. 1. Pflicht zur Niederlegung des Mandates bei zivilgerichtlichen Verfahren a) Vorzeitige Kündigung des Mandatsvertrages Vertritt der Rechtsanwalt seinen Mandanten in einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung, so endet dasMandat regelmäßig mit der rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren. Allerdings kommt es auch vor, dass es bereits im laufenden Verfahren zu einer Beendigung des Mandates aufgrund einer vorzeitigen Kündigung des Mandatsvertrages kommt. Während der Mandant praktisch stets und ohne weitere Begründung den Mandatsvertrag aufkündigen kann, bedarf es für den Rechtsanwalt regelmäßig hierfür einen wichtigen Grund. Ohne einen solchen wichtigen Grund würde sich der Rechtsanwalt im Falle der Kündigung eines anschließenden Schadenersatzanspruches seines früheren Mandanten im Hinblick auf diesen dann entstehenden, weiteren Kosten der Einschaltung eines weiteren Rechtsanwaltes ersatzpflichtig machen. Zudem ist ebenfalls denkbar, dass das Mandat in der Ausgangsinstanz bis zum Ende geführt wird, für die nächste Instanz aber ein neuer Auftrag für einen anderen Rechtsanwalt erteilt wird. Hier ist dafür Sorge zu tragen, dass der Anwaltswechsel, vorbehaltlich der vorstehenden Ausführungen zu einem Zurückbehaltungsrecht an der Handakte, das Mandat ordnungsgemäß weiterführen kann. Ansonsten drohen ebenfalls Schadenersatzansprüche. b) Anzeigepflicht bei Mandatsbeendigung im laufenden Verfahren Kommt es vor rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens zu einer Mandatsbeendigung, so ist dies dem erkennenden Gericht gegenüber unverzüglich anzuzeigen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist der Rechtsanwalt aus seiner Verantwortung für das ordnungsgemäße Führen des Rechtsstreites – ohne Schadenersatzsprüche des Mandanten – entlassen. Formulierungsbeispiel: „... zeige ich vorliegend an, dass der Kläger/der Beklagte durch mich nicht mehr vertreten wird. Zugleich lege ich das Mandat mit sofortiger Wirkung nieder.“ Dabei ist selbstverständlich der Grund der Beendigung der Prozessvertretung im Hinblick auf die anwaltliche Verschwiegenheitsverpflichtung nicht weiter auszuführen. Untunlich erscheint es insoweit auch, anzugeben, wer das Mandat aufgekündigt hat. Gegenüber dem Mandanten ist zugleich eine umfangreiche Erläuterung des Standes des Verfahrens abzugeben. Insbesondere ist dieser im Falle eines anwaltlichen Postulation-Zwanges gemäß § 78 ZPO darüber zu belehren, dass er selbst rechtswirksam keine Prozesshandlungen vornehmen kann und aufgrund der Beendigung des Mandatsvertrages durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten keine Prozesshandlungen mehr vorgenommen werden. Ohne eine entsprechende Belehrung des früheren Mandanten macht sich der Rechtsanwalt sonst schadenersatzpflichtig in Höhe des Interesses des Mandanten bezüglich des Obsiegens im vorliegenden Rechtsstreit. Möglicherweise empfiehlt sich zusätzlich der Hinweis, dass im Falle der Beteiligung einer Rechtsschutzversicherung diese nicht automatisch die Kosten eines neuen Bevollmächtigten übernehmen wird. Im Rahmen eines Anwaltsprozesses ist zudem zu beachten, dass bis zu dem Zeitpunkt, in welchem sich für den früheren Mandanten ein neuer Rechtsanwalt bestellt, der bisherige Rechtsanwalt für Schriftsätze des Gegners und gerichtliche Schreiben zustellungsverpflichtet bleibt. Ihn trifft zwar nicht mehr die Verpflichtung, diese Schriftstücke inhaltlich zu bearbeiten. Allerdings muss er sicherstellen, dass diese unverzüglich an den früheren Mandanten weitergeleitet werden. Um etwaige Schadenersatzansprüche zu vermeiden, sollte diese Weiterleitung dokumentiert werden. 2. Mandatsende bei Prozesskosten – und Verfahrenskostenhilfe Bei Prozesskostenhilfe (PKH) und Verfahrenskostenhilfe (VKH) besteht das Mandatsverhältnis zwar auch zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Allerdings besteht die Besonderheit, dass eine Beiordnung durch die Staatskasse erfolgt, der Rechtsanwalt insoweit beliehener Unternehmer ist. a) Entpflichtung seitens des Gerichts Hieraus folgt, dass eine vorzeitige Mandatsbeendigung nur durch eine Entpflichtung seitens des Gerichts bei besonderen Umständen möglich ist. Da der Rechtsanwalt insoweit aus der Staatskasse alimentiert wird, trifft ihn auch nach Beendigung des Mandates die Pflicht, erst später eingehende Zahlungen Dritter nachträglich der Staatskasse anzuzeigen, § 16 Abs. 2 BORA. Eine entsprechende Regelung gibt es auch bei der Pflichtverteidigung. Das aktuelle Thema 48 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024
b) Mitteilung neuer Mandantenanschrift Darüber hinaus treffen den Rechtsanwalt nach Abschluss des PKH/VKH Mandates weitere Pflichten. Bei PKH-Mandaten muss der Rechtsanwalt unbedingt beachten, dass der (frühere) Mandant jede Änderung seiner Anschrift unverzüglich dem Gericht mitzuteilen hat. Gem. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kann hier Säumnis sogar zur Aufhebung der Bewilligung führen. Die Verpflichtungen der Partei bestehen längstens für die Dauer von 48 Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss der Sache. Der Anwalt sollte nicht nur, sondern er muss, die Partei auf diese gesetzlichen Vorschriften hinweisen. Das Gericht wird sich ausschließlich an den beigeordneten Anwalt wenden. Der Rechtsanwalt hat also auch noch bis zuvierJahre nach dem Abschluss der Sache die Akten „auf dem Tisch“. Nachfragen oder Aufforderungen des Gerichtes werden an den Rechtsanwalt gestellt. Grundsätzlich sollte der Rechtsanwalt daher schriftlich (zB in einer Mandatsvereinbarung) mit dem Auftraggeber vereinbaren, dass er nicht verpflichtet ist, eine eventuell neue Anschrift zu erforschen, sondern der Mandant selbst jede Änderung seiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich dem Gericht auch dem Rechtsanwalt mitzuteilen hat. Ansonsten besteht für den Rechtsanwalt die kostenintensive Verpflichtung, eigene Nachforschungen zur Anschrift des Mandanten mitzuteilen. Unterlässt er dies und die PKH/VKH wird durch das Gericht aufgehoben, könnten Schadenersatzansprüche des früheren Mandanten drohen, der sich nunmehr der vollen Kostenlast ausgesetzt sieht. 3. Werbung mit abgeschlossenen Mandaten Nicht zu unterschätzen ist zudem die von manchen Rechtsanwälten nach Beendigung eines Mandates geübte Praxis, mit interessanten Verfahren Werbung zu betreiben. Vor allem auf Kanzleihomepages finden sich derartige Angaben, die aber gemäß § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 BORA nur mit Einwilligung des Mandanten erfolgen dürfen. Außerdem muss die Information über das Verfahren in sachlichem Ton erfolgen. Fehlt es an der entsprechenden Einwilligung des Mandanten, droht dabei nicht nur ein berufsrechtliches Verfahren. Zu denken sind etwa auch an Schadenersatzansprüche des Mandanten wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 4. Tätigwerden für andere nach Mandatsende/ Interessenkonflikt Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass eine nachvertragliche Verpflichtung des Rechtsanwaltes nach § 43a Abs. 4 S. 1 und Abs. 4 S. 1 BRAO sowie § 3 BORA darin besteht, nach Abschluss eines Verfahrens keine „anderweitige Tätigkeit“auszuüben, die in den Bereich der Interessenkollision fällt. Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte scheidet grundsätzlich aus, den Gegner des vorherigen Rechtsstreits gegen den bisherigen Mandanten in einem weiteren Verfahren zu vertreten, wenn das aus dem ursprünglichen Rechtsstreit erlangte Wissen aus dem früheren Mandat einen Vorteil beinhaltet. Wann genau ein derartiger Interessenkonflikt vorliegt, ist häufig umstritten. Wird ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen durch die Rechtsanwaltskammer als Aufsichtsbehörde bejaht, muss das neue Mandat sofort beendet werden. Ein Gebührenanspruch kann dann nicht mehr geltend gemacht werden. Der dem Rechtsanwalt entstehende Gebührenschaden kann daher – je nach Fortschritt des Verfahrens – beträchtlich sein. Aus diesem Grund empfiehlt sich stets die Möglichkeit einer Interessenkollision vor Mandatsannahme genau zu prüfen. Hilfreich kann hier im Zweifelsfall die Möglichkeit der Nutzung des Instituts der Selbstanfrage an die eigene Rechtsanwaltskammer sein, bei welcher der Sachverhalt genau geschildert und um eine rechtliche Einschätzung gebeten wird. Die Auskunft der Rechtsanwaltskammer auf eine solche Anfrage darf man dann als verbindlich ansehen. IV. Fazit Mit der Beendigung eines Mandates, trifft die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt eine Fülle von nachvertraglichen Pflichten. Deren Verletzung kann nicht nur Schadenersatzpflichten gegenüber dem früheren Mandanten auslösen, sondern auch als Berufsverstoß geahndet werden. In vielen Fällen kommt sogar eine strafrechtliche Verantwortlichkeit in Betracht. Aus diesem Grund empfiehlt sich, die Pflichten bei Mandatsbeendigung genau zu beachten und im Zweifelsfall Rat bei der eigenen Rechtsanwaltskammer zu suchen, um Ungemach zu vermeiden. Das aktuelle Thema KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 49
Berichte und Bekanntmachungen Anwaltliche Rechnungen bedürfen nicht mehr der Schriftform Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können Gebührenrechnungen seit dem 17.7.2024 in Textform an ihre Mandantschaft mitteilen. Eine handschriftliche Unterschrift, wie bisher, ist nicht mehr erforderlich. Die BRAK hatte sich wiederholt für eine derartige Formerleichterung eingesetzt. Bislang mussten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Vergütungsberechnungen in schriftlicher Form an ihre Mandantschaft mitteilen. Durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz wurde die entsprechende Formvorschrift in § 10 I 1 RVG geändert; danach genügt für die Berechnung nunmehr die Textform. Zudem ist es ausreichend, dass der Rechtsanwalt die Mitteilung der Vergütungsberechnung an den Mandanten veranlasst. Abstriche bei der zivil-, straf- und standesrechtlichen Verantwortung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für die Richtigkeit der Vergütungsberechnung sind mit der Formerleichterung nicht verbunden. Dies kommt laut der Gesetzesbegründung in der Formulierung zum Ausdruck, dass (nur) die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt die Vergütung fordern kann und sie bzw. er die Mitteilung der Berechnung an den Auftraggeber veranlassen muss, sofern sie bzw. er die Rechnung nicht selbst verschickt. Das Gesetz wurde am 16.7.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 17.7.2024 in Kraft. Die Formerleichterung entspricht einem Wunsch aus Anwaltschaft und Mandantschaft nach einer möglichst einfachen und barrierefreien elektronischen Übermittlung der anwaltlichen Berechnung. Die BRAK hatte sich wiederholt für eine entsprechende Änderung eingesetzt. Allerdings steht die Formerleichterung nach dem neu gefassten § 10 RVG in Widerspruch zur verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung für B2B-Umsätze in Form eines strukturierten Datensatzes nach § 14 UStG, die durch das Wachstumschancengesetz eingeführt wurde. Diese Verpflichtung gilt auch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und tritt, ab dem 1.1.2025, mit unterschiedlichen Übergangsfristen aber spätestens zum 1.1.2028 ein. Die BRAK hat in beiden Gesetzgebungsverfahren auf diesen Widerspruch hingewiesen und sich für eine Ausnahmeregelung oder zumindest optionale Möglichkeit eingesetzt. (Quelle: BRAK) Elektronischer Rechtsverkehr: Formerleichterungen in Kraft getreten Elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Aktenführung werden weiter ausgebaut. Mit dem Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz, das im wesentlichen am 17.7.2024 in Kraft getreten ist, wurde der rechtliche Rahmen hierfür weiter verfeinert. Das Gesetz enthält wichtige verfahrensrechtliche Anpassungen in der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie parallel in den Prozessordnungen für die Fachgerichtsbarkeiten. Nach dem neu gefassten § 130a III ZPO können schriftlich einzureichende Anträge oder Erklärungen von Parteien oder Dritten nunmehr gescannt und von den Prozessbevollmächtigten als elektronische Dokumente eingereicht werden. Bislang mussten diese Erklärungen in Papierform übermittelt werden. Die BRAK hatte diese Anpassung in ihrer Stellungnahme begrüßt. Sie wies jedoch darauf hin, dass nicht klar ist, für welche Erklärungen diese Regelung gilt. Für den praktisch wichtigen Fall der Vollmacht wurde aus Sicht der BRAK versäumt, im Gesetz klarzustellen, dass die Vollmacht auch als Scan elektronisch übermittelt werden kann. § 174 S. 1 BGB sieht vor, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft, das eine bevollmächtigte Person vorgenommen hat, unwirksam ist, wenn diese die Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der Empfänger die Erklärung deshalb unverzüglich zurückweist. Um diese Folge zu vermeiden, sollten Vollmachtsurkunden weiterhin auf Papier vorgelegt werden. Eine wesentliche Erleichterung für die Praxis bringt der neue § 130e ZPO, der eine Formfiktion für in elektronischen Schriftsätzen enthaltene Willenserklärungen vorsieht. Empfangsbedürftige Willenserklärungen, die nach §§ 126 ff. BGB einer bestimmten Form bedürfen, gelten danach als zugegangen, wenn sie in einem Schriftsatz als elektronische Dokumente bei Gericht 50 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024
eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder formlos mitgeteilt werden. Das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz beinhaltet auch eine Reihe von Änderungen im Strafprozessrecht. Danach müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte künftig unter anderem Rechtsmittel wie Berufung, Revision und Einspruch und deren Begründung bzw. Rücknahme und weitere prozessuale Erklärungen als elektronische Dokumente einreichen. Diese Änderungen in § 32d StPO n.F. treten jedoch erst zum 1.1.2026 in Kraft. Ferner wurden die bisherigen Unterschriftserfordernisse für schriftliche Erklärungen von Bürgerinnen und Bürgern bei entsprechender Dokumentation durch die Strafverfolgungsbehörden abgeschafft (§§ 81f ff. StPO n.F.). Dies hatte die BRAK in ihrer Stellungnahme mit Blick auf den Schutz der Beschuldigten kritisiert. Außerdem müssen Strafanträge seit dem 17.7.2024 nicht mehr schriftlich gestellt werden; ihre Protokollierung oder sonstige Dokumentation reicht nach § 158 StPO nunmehr aus. Weitere Formerleichterungen gelten ferner für das Insolvenz- und Restrukturierungsrecht. Auch hier werden die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation erweitert; insbesondere können nunmehr Forderungen elektronisch angemeldet und Zustellungen elektronisch vorgenommen werden. (Quelle: BRAK) Freie Berufe: Zukunftssorgen und Fachkräftemangel nehmen zu Jede fünfte Freiberuflerin, jeder fünfte Freiberufler schätzt die eigene Geschäftslage als schlecht ein; ein Drittel von ihnen erwartet in den kommenden sechs Monaten eine ungünstigere Entwicklung. Hintergrund dieser Einschätzung sind die Krisen der vergangenen Jahre – Corona, steigende Energiekosten, Fachkräftemangel. Diese steigern Zukunftssorgen und zehren an den Motivationsreserven von Freiberuflerinnen und Freiberuflern. Das ergab die Sommer-Konjunkturumfrage 2024, deren Ergebnisse der Bundesverband Freier Berufe e.V. (BFB) kürzlich veröffentlichte. Ihre aktuelle Geschäftslage bewerten 37,4% der befragten Freiberuflerinnen und Freiberufler als gut, 42,4% als befriedigend und 20,2% als schlecht. Die Stimmung trübte sich damit im Vergleich zum Vorjahr (42,9% gut/39,3% befriedigend/17,8% schlecht) merklich ein. Allerdings zeigt sich ein differenziertes Bild zwischen den verschiedenen Berufsgruppen: Die rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Freiberuflerinnen und Freiberuflern beurteilen ihre Lage mehrheitlich als noch gut. Technisch-naturwissenschaftliche Berufe, Heilberufe und Kulturberufe sehen ihre Geschäftslage zum Teil deutlich skeptischer. Auch die Prognosen für die Entwicklung im kommenden Halbjahr fielen zurückhaltender aus: 10,1% der Befragten erwarten eine günstigere, 60,3% eine gleichbleibende und 29,6% eine ungünstigere Entwicklung (Vorjahr: 14,1% günstiger/59,9% gleichbleibend/26% ungünstiger). Weniger zuversichtlich sind die Freiberuflerinnen und Freiberufler in Bezug auf ihre Personalplanung: Nur noch 12,8% (Vorjahr: 14,6%) erwarten in den kommenden zwei Jahren einen Personalzuwachs, 64,5% (Vorjahr: 67,7%) gehen davon aus, gleich viele Mitarbeitende zu haben, 22,7% (Vorjahr: 17,7%) befürchten, Stellen abbauen zu müssen. Freiberuflerinnen und Freiberufler sind auch weiterhin stark ausgelastet. Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, aktuell überlastet zu sein (35,2%; Vorjahr: 37,3%), weitere knapp 10% (Vorjahr: ca. 11%) gaben an, innerhalb des nächsten halben Jahres und gut 12% (Vorjahr: ca. 11%) innerhalb der nächsten zwei Jahre überausgelastet zu sein. Damit setzte sich auch hier der Trend fort. Als wichtigste Einflussfaktoren auf ihre freiberufliche Tätigkeit schätzen die Befragten die zukünftige politische Entwicklung sowie den Fachkräftemangel bzw. Herausforderungen bei der Personalgewinnung ein. (Quelle: BRAK) Berichte und Bekanntmachungen KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 51
Neue Auslegungs- und Anwendungshinweise zum GwG Das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) erlegt Verpflichteten, zu denen auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zählen können (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG), verschiedene Pflichten im Rahmen der Geldwäscheprävention auf. Die nunmehr 8. überarbeitete und erweiterte Auflage der Auslegungs- und Anwendungshinweise zum GwG wurde am 25.7.2024 durch das Präsidium der BRAK beschlossen. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf hat die Hinweise am 21.8.2024 genehmigt (§ 51 VIII 2 GwG). Die Neuauflage berücksichtigt unter anderem die durch das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II geschaffenen neuen Vorschriften im GwG, insbesondere das seit 1.4.2023 geltende Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften. Ferner wurden Klarstellungen unter anderem zu den Pflichten von Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälten, zur Übertragung von Sorgfaltspflichten auf Dritte und zur fehlenden Verpflichteten-Eigenschaft von Berufsausübungsgesellschaften aufgenommen. Angepasst und ergänzt wurden außerdem unter anderem die Ausführungen zur mandatsbezogenen individuellen Risikobewertung, zur Einrichtung eines kanzleiinternen Hinweisgebersystems sowie zu Mitwirkungspflichten gegenüber Kammern in Bezug auf die Vorlagepflicht von (geschwärzten und teilgeschwärzten) Unterlagen. Die Ausführungen zu Aufzeichnungsund Aufbewahrungspflichten wurden erweitert und mit Anwendungsbeispielen ergänzt. Die 8. Auflage der Auslegungs- und Anwendungshinweise kann auf der Internetseite der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf abgerufen werden (www.rak-dus. de; Rubrik: Für Mitglieder/Geldwäsche). (BRAK/tje) BRAK nimmt Stellung: Rechtsanwaltsberuf soll Beamten verwehrt bleiben In einer aktuellen Stellungnahme lehnt die BRAK die Öffnung der Anwaltschaft für Beamtinnen und Beamte ab (BRAK-Stellungnahme 61/2024). Hintergrund der Stellungnahme ist die Forderung in einer Petition, dass auch Beamten der Beruf des Rechtsanwaltes zugänglich sein soll. In der Begründung der Petition wurde ausgeführt, dass das Hauptargument gegen die Zulassung von Beamten zur Anwaltschaft, nämlich potenzielle Interessenkonflikte zu vermeiden, nicht tragen könne. Ein Anwalt dürfe auch ohne die Regelung des § 7 Nr. 10 BRAO – abgesichert durch § 356 StGB – nicht in einer Angelegenheit derselben Rechtssache beide Parteien vertreten. Es verbiete sich also ohnehin Mandate anzunehmen, die sich gegen Maßnahmen des eigenen Dienstherrn richten würden. Dieser Petition tritt die BRAK „mit Nachdruck“ entgegen und unterstreicht, dass der Beruf des Rechtsanwalts auch weiterhin nicht für Beamte zugänglich sein darf. Die BRAK betont, dass der Schutz vor Interessenkollision nicht der alleinige Grund sei, sondern die Wahrung der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Anwaltschaft im Fokus stände. Diese Unabhängigkeit, normiert in Art. 20 GG durch die Gewaltenteilung und in §§ 1 bis 3 BRAO, gebiete die Trennung der beruflichen Sphären von Beamten und Rechtsanwälten. Rechtsanwälte sind nach § 1 BRAO unabhängige Organe der Rechtspflege und Teil der Judikative, während Beamte der Exekutive angehören. Abhilfe durch Mittel der Berufsaufsicht seien nicht hinreichend um ein Abhängigkeitsverhältnis auszuschließen oder jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit nicht gleich wirksam. Die im Beamtenverhältnissen gegenüber privatrechtlichen Dienstverhältnissen stärker ausgeprägte Abhängigkeit stehe der in § 2 Abs. 1 BRAO normierten freien Advokatur entgegen. Der BGH weise zurecht auf die enge Bindung der Beamten zum Staat hin, welche sich u.a. durch die Verpflichtung zu vollem persönlichen Einsatz für den Staat, den Dienstherrn und seine öffentlichen Aufgaben niederschlägt. Diese habe die Unvereinbarkeit der Rechtsstellung eines Beamten mit der Stellung als Rechtsanwalt zur Folge. Auch der Verhältnismäßigkeit sei durch die normierten Ausnahmen für befristete Beamtenverhältnisse in § 47 Abs. 1 BRAO hinreichend nachgekommen. Rechtsreferendarin Svenja Dumslaff Berichte und Bekanntmachungen 52 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024
Anwaltsrecht/Berufsrecht )HVWVWHOOXQJVLQWHUHVVH LQ 9HUIDKUHQ GHU $QZDOVJH richtsbarkeit Die Kammer rät Streit zwischen Rechtsanwalt und Mandant: mehr Schlichtung wagen Zum 1.1.2011 nahm in Berlin die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (SdR) ihre Arbeit auf. Gäbe es sie noch nicht, müsste man sie erfinden, denn die SdR kann im Bereich der einvernehmlichen Streitbeilegung auf erfolgreiche Jahre zurückblicken. Was macht die SdR und was zeichnet sie aus? Zehn kurze Antworten auf häufig gestellte Fragen: Wofür ist die SdR zuständig? Sie soll und kann helfen, Streit zwischen Anwältin/Anwalt und Mandantin/Mandant zu schlichten, sofern ) es um eine „vermögensrechtliche“ Streitigkeit aus dem Mandatsverhältnis geht, deren Wert 50.000c nicht übersteigt, und ) der Streit nicht bei Gericht rechtshängig ist oder war. Wer kann einen Schlichtungsantrag stellen? Sowohl die Anwältin/der Anwalt/als auch die Mandantin/der Mandant. Muss die SdR tätig werden oder kann sie es auch ablehnen, einen Schlichtungsvorschlag zu erarbeiten? Ja, sie kann ablehnen. Außer den bereits genannten Voraussetzungen (Wertgrenze und gerichtliche Rechtshängigkeit) soll ein Antrag binnen drei Wochen zum Beispiel auch abgelehnt werden, wenn ) der Anspruch nicht zuvor gegenüber der anderen Partei geltend gemacht worden ist, ) der Antrag offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat oder mutwillig erscheint, ) eine berufsrechtliche Überprüfung bei der Rechtsanwaltskammer oder eine strafrechtliche Überprüfung bei der Staatsanwaltschaft anhängig ist. Wie wird geschlichtet? Das Verfahren ist freiwillig und kostenfrei. Mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen finden nicht statt. Ein Schlichtungsantrag muss schriftlich gestellt werden. Liegen keine Ablehnungsgründe vor, haben die Parteien rechtliches Gehör erhalten und sind alle notwendigen Unterlagen eingereicht, so unterbreitet die SdR ab diesem Zeitpunkt binnen 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag. Der Vorschlag enthält einen Tatbestand, also eine Zusammenfassung des Sachverhalts, und eine rechtliche Würdigung. Die Parteien können den Vorschlag ohne weitere Begründung annehmen oder ablehnen. Nehmen beide den Vorschlag an, schließen sie damit einen außergerichtlichen Vergleich, an den sie gebunden sind. Lehnt auch nur eine Seite den Vorschlag der SdR ab, ist das Verfahren beendet. Es bleibt den Parteien nach erfolglosem Abschluss des Schlichtungsverfahrens unbenommen, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Was ist mit Verjährungsfristen? Unter bestimmten Voraussetzungen kann mit Eingang des Antrages bei der SdR die Verjährung für die Dauer des Verfahrens gehemmt werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn ) die SdR die zuständige Schlichtungsstelle ist, ) Ablehnungsgründe nicht vorliegen, ) der Anspruch sich ausreichend konkret aus dem Vortrag und den Unterlagen ergibt, ) die gegnerische Seite nicht bereits im Vorfeld signalisiert hat, an einem Schlichtungsverfahren nicht teilzunehmen. Warum mehr Schlichtung wagen? Erfolgreiche Schlichtung spart zum Einen Geld und Nerven. Anders als ein streng formalisiertes und u.U. kostenintensives gerichtliches Verfahren bietet die flexible Streitschlichtung größeren Raum für Kulanz und Interessenabwägungen. Sie kann stärker Rücksicht nehmen auf das, was im Einzelfall „recht und billig“ ist, und bietet deshalb größere Gewähr für einen dauerhaften Frieden zwischen den Streitenden. Außerdem spart die Schlichtung Zeit: Sie dauert bei der SdR im Schnitt nur ca. vier Monate, ein gerichtliches Zivilverfahren (1. und 2. Instanz) hingegen im Schnitt rund 18 Monate. Und auch, wenn ein Schlichtungsvorschlag nicht angenommen wird, so dürfte die Lektüre der gründlichen rechtlichen Ausführungen in dem einen oder anderen Fall zu einem Erkenntnisgewinn führen. Wer arbeitet bei der SdR? Beschäftigt sind aktuell eine Schlichterin, ihr Stellvertreter, ein Geschäftsführer (Anwalt), sechs Anwältinnen und Anwälte (jeweils in Teilzeit) sowie fünf AssisKammerMitteilungen RAK Düsseldorf 3/2024 53
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