Kammermitteilungen 2/2022

anbieters, sondern sucht für die in Pakete aufgeteilte Datei automatisiert einen Übertragungsweg über unterschiedlichste Netze und Server in aller Welt. Es liegt auf der Hand, dass es in seltenen Einzelfällen zu einer – im Vergleich zu anderen Zustellungswegen – kurzen Verzögerung der Datenübertragung an einem der verschiedenen Knotenpunkte kommen kann. Insbesondere sind auch kurzfristige Engpässe beim Internetzugangsanbieter des Senders möglich. Dies sollte jedenfalls einem – nach seinen eigenen Ausführungen – erfahrenen Internetnutzer wie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannt sein. Dass bei diesem nach seinem Vorbringen eine derartig verzögerte Übertragung noch nicht vorgekommen sei, sondern die Übertragung nach seiner Erfahrung höchstens 10 Sekunden dauere, verändert den Sorgfaltsmaßstab nicht. Denn nur weil Verzögerungen in der Regel nicht auftreten, sind sie doch nicht ausgeschlossen oder völlig unvorhersehbar. Dies gilt ebenfalls für die Dauer der Verzögerung: Selbst wenn es hier, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend macht, zu einer Überschreitung der üblichen Dauer um das fünf- bis achtfache gekommen sein mag, bewegt sich dies angesichts dessen, dass die Verzögerung maximal etwa eine Minute betragen hätte, noch in einem Rahmen, dem mit der zu erwartenden und zumutbaren Sorgfalt hätte begegnet werden können. Gerade wenn es um eine Betreibensfrist mit ihren einschneidenden Folgen geht, hätte es der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sicherstellen müssen, dass selbst selten auftretende und – wie hier – nicht übermäßig lange Verzögerungen nicht zur Fristüberschreitung führen, vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12. 2013 – 8 C 25.12 –, juris, Rn. 31. An diesem Ergebnis vermag auch – anders als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint – der Rechtsgedanke des § 55d S. 3 und S. 4 VwGO nichts zu ändern1 1 Die Entscheidung ist am 7.12.2021 ergangen und spielt damit vor dem Inkrafttreten von § 55d VwGO am 1.1.2022 und damit vor der aktiven Nutzungspflicht des beA. Gem. § 55d S. 3 und S. 4 ist in dem Fall, in dem eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist dann bei der Ersatzeinreichung oder unmittelbar danach glaubhaft zu machen. . Unabhängig davon, dass diese Norm im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht noch gar keine Anwendung findet, lässt sich aus ihr auch nicht der allgemeine Rechtsgedanke herleiten, dass im Falle des Scheiterns einer elektronischen Zustellung Schriftsätze noch nach Fristablauf auf dem herkömmlichen Weg eingereicht werden können. Die Regelungen des S. 3 und S. 4 stellen vielmehr eine Ausnahme zu der Pflicht des S. 1 dar. Wenn der Gesetzgeber die Beteiligten am Verfahren verpflichtet, Schriftsätze elektronisch einzureichen, muss er auch eine Möglichkeit zur Ersatzeinreichung vorsehen, wenn die elektronische Übertragung technisch ausnahmsweise nicht möglich ist. Sonst könnte es zur Benachteiligung von Verfahrensbeteiligten kommen. Im vorliegenden Fall bestand jedoch gerade keine Pflicht zur elektronischen Einreichung und mithin kein Bedürfnis für eine derartige Ausnahmeregelung. Darüber hinaus ermöglichen § 55d S. 3 und S. 4 VwGO nicht die fristwahrende Einreichung von Schriftsätzen nach Ablauf einer Frist. (jki) Geschäftsführer eine Kreishandwerkerschaft kann Syndikusrechtsanwalt werden – BGH, Urteil v. 25.3.2022 – AnwZ (Brfg) 8/21 Der Anwaltssenat beim BGH hat mit Urteil vom 25.3.2022 die Berufung der Deutschen Rentenversicherung Bund gegen das Urteil des AGH NRW zurückgewiesen und damit die Zulassung des beigeladenen Syndikusrechtsanwalts bestätigt, AZ: AnwZ (Brfg) 8/21. Der Beigeladene ist Geschäftsführer einer Kreishandwerkerschaft und zugleich Geschäftsführer zahlreicher Innungen, die die Kreishandwerkerschaft bilden, vgl. § 87 Nr. 5 HwO. Der Senat verweist in seinem Urteil darauf, dass kein Zulassungshindernis nach § 7 Nr. 8 BRAO der Zulassung entgegenstehe. Gemäß § 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen, wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Syndikusrechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Das kann insbesondere bei einer mit hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung verbundenen Tätigkeit im öffentlichen Dienst der Fall sein. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urteile vom 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18 –, vom 3.2.2020 – AnwZ (Brfg) 36/18 – und vom 22.6.2020 – AnwZ (Brfg) 81/18) ist eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst zwar nicht von vornherein mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar. Es ist vielmehr jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer Zulassung entgegensteht, also die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet sind (...). Vielmehr sind bei der Auslegung und Anwendung des § 7 Nr. 8 BRAO die Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach §§ 46 f. BRAO zu berücksichtigen. Eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege im Sinne von § 7 Nr. 8 BRAO und damit ein Ausschluss der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ergibt sich nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere dann, wenn der Antragsteller am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist (BGH, Urteile vom 30.9.2019 – AnwZ (Brfg) 38/18 –, Rechtsprechungsübersicht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 2/2022 37

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