Kammermitteilungen 2/2022

Der Schriftsatz vom 14.7.2021 genügt nicht der Formanforderung des § 65a Abs. 3 S. 1 Alt. 1 SGG. Die als elektronisches Dokument übersandte Beschwerdeschrift war ausweislich des Transfervermerks nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen. Die Formanforderungen des § 65a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGG sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Beschwerdeschrift wurde zwar über das beA übermittelt. Allerdings ist ein elektronisches Dokument, das aus einem beA versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen ist, nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt (vgl. BAG Beschluss vom 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 – BAGE 171, 28 = juris RdNr 14; BAG Beschluss vom 14.9.2020 – 5 AZB 23/20 – NJW 2020, 3476 RdNr 20; BVerwG Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4/21 – juris RdNr 4 ff.; s hierzu auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 65a RdNr 9a; Müller in Ory/Weth, jurisPK-ERV Bd 3, § 65a SGG RdNr 173, 179 ff., Stand der Einzelkommentierung 3.2.2022). Hieran fehlt es. Das elektronische Dokument vom 14.7.2021, das die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält, ist am Ende mit der maschinengeschriebenen Angabe „S, Rechtsanwalt“ versehen und damit einfach signiert (vgl. BAG Beschluss vom 14.9.2020 – 5 AZB 23/20 – NJW 2020, 3476 RdNr 15 ff. mwN; BVerwG Beschluss vom 12.10.2021 – 8 C 4/21 – juris RdNr 3; Müller in Ory/ Weth, jurisPK-ERV Bd 3, § 65a SGG RdNr 168, 170, Stand der Einzelkommentierung 3.2.2022). Rechtsanwalt S hat das Dokument aber nicht über sein persönliches Anwaltspostfach selbst versendet. Das elektronische Dokument vom 14.7.2021 weist keine weitere einfache Signatur auf. Nach der Signatur „S, Rechtsanwalt“ findet sich allerdings der handschriftliche Zusatz „für den verhinderten RA S“, gefolgt von nicht lesbaren Handzeichen sowie der Abkürzung „RA“. Zwar kann grundsätzlich auch eine eingescannte Unterschrift als einfache Signatur anzusehen sein (vgl. BAG Beschluss vom 14.9.2020 – 5 AZB 23/20 – NJW 2020, 3476 RdNr 15; Müller in Ory/Weth, jurisPKERV Bd 3, § 65a SGG RdNr 170, Stand der Einzelkommentierung 3.2.2022). Das gilt aber nicht, wenn die Unterschrift nicht entzifferbar ist und damit von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA (maschinenschriftlich und damit regelmäßig allgemein lesbar) ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (vgl. BAG Beschluss vom 14.9.2020 – aaO RdNr 16). Ist die Unterschrift nicht lesbar, kann sie diese Funktion nicht erfüllen. Empfängern eines solchen Dokuments verbleibt dann nur, zu raten, zu vermuten oder zu glauben. Selbst wenn die genannten handschriftlichen Kürzel im Rechtsverkehr ohne Weiteres als einfache Signatur des Rechtsanwalts H erkannt werden könnten, mangelt es jedenfalls daran, dass die als Nutzer des sicheren Übermittlungswegs beA ausgewiesene Person mit der Person identisch sein muss, die die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Die einfache Signatur soll – ebenso wie die eigenhändige Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur – die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BAG Beschluss vom 14.9.2020 – 5 AZB 23/20 – aaO RdNr 19). Das war hier gerade nicht der Fall. Rechtsanwalt S hat auf gerichtliche Nachfrage in seinem Schreiben vom 20.7.2021 ausdrücklich erklärt, dass er die den Schriftsatz vom 14.7.2021 verantwortende Person sei, während Rechtsanwalt H nach Auftreten technischer Probleme den Schriftsatz lediglich unterzeichnet und über seinen beA-Zugang übermittelt habe. Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 67 Abs 1 SGG voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Kläger muss sich insoweit ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (vgl. § 73 Abs. 6 S. 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO; s dazu BSG Beschluss vom 6.10.2016 – B 5 R 45/16 B – juris RdNr 14 mwN). Um eine wirksame Übermittlung des Schriftsatzes vom 14.7.2021 über das beA des Rechtsanwalts H sicherzustellen, hätte der Prozessbevollmächtigte das von ihm verantwortete elektronische Dokument mit einer qeS versehen müssen. Die seinem Schriftsatz vom 4.8.2021 offenbar zugrunde liegende Annahme, eine Beschwerde zum BSG habe damals schon „nur per beA“ eingelegt werden können, war unzutreffend. Die Nutzungspflicht nach § 65d SGG ist erst zum 1.1.2022 in Kraft getreten. Ein etwaiger Rechtsirrtum des Rechtsanwalts hierüber ist nicht unverschuldet (BSG Beschluss vom 18.11.2020 – B 1 KR 1/20 B – SozR 4-1500 § 65a Nr 6 RdNr 17 unter Bezugnahme auf BAG Beschluss vom 5.6.2020 – 10 AZN 53/20 – BAGE 171, 28 = NZA 2020, 965 RdNr 37 mwN), zumal auch die Rechtsmittelbelehrung des LSG-Beschlusses keine Angaben enthielt, die auf eine bereits damals schon bestehende Verpflichtung zur Nutzung des beA hätten schließen lassen können. (jki) Rechtsprechungsübersicht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 2/2022 35

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