Kammermitteilungen 2/2022

23.8.2019. Der Wirksamkeit des Eingangs der am 23.8.2019 über das beA übersandten Dokumente stände es nicht entgegen, wenn die mangelnde Weiterleitungsfähigkeit der Nachricht dadurch ausgelöst wurde, dass der Dateiname den Umlaut „ü“ enthielt. Zwar muss ein eingereichtes elektronisches Dokument nach § 130a Abs. 2 S. 1 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Diese Frage bestimmt sich aber allein nach den Regelungen, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO getroffen hat (BGH, Urteil vom 14.5.2020 – X ZR 119/18). Die danach für den Streitfall maßgebliche Regelung in § 2 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach in der vom 1.7.2019 bis 31.12.2021 gültigen Fassung (ERVV vom 24.11.2017, BGBl. I S. 3803, geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 9. 2.2018, BGBl. I S. 200) und die Bekanntmachung zu § 5 dieser Verordnung vom 20.12.2018 (https://justiz.de/laender-bund-europa /elektronische_kommunikation/erv_ervb_2019.pdf, zuletzt abgerufen am 27. 2.2022) sehen ein Verbot von Umlauten nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 14.5.2020 – X ZR 119/18, GRUR 2020, 980 Rn. 16; Biallaß in Ory/ Weth, jurisPK-ERV Band 2, 1. Aufl., § 2 ERVV [Stand: 1.9.2020], Rn. 35; Mardorf, jM 2020, 266, 268). Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 S. 1 ZPO). Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen, die Berufungsbegründungsfrist sei versäumt, wird es bei der Prüfung einer Wiedereinsetzung von Amts wegen zu berücksichtigen haben, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht damit rechnen musste, dass ein Dokument, dessen Dateiname Umlaute enthält, von einem internen Rechner des Gerichts nicht abgeholt werden kann, obwohl der Versand über das besondere elektronische Anwaltspostfach möglich ist und die erfolgreiche Übermittlung des Dokuments bestätigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.5.2020 – X ZR 119/ 18, GRUR 2020, 980 Rn. 21). (jki) beA: Grundsätzlich kann auch eine eingescannte Unterschrift als einfache Signatur anzusehen sein – das gilt aber nicht, wenn die Unterschrift nicht entzifferbar ist und damit von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann – BSozG, Beschluss vom 16.2.2022 – B 5 R 198/21 B Ein elektronisches Dokument, das aus einem beA versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, wird nur dann über einen „sicheren Übermittlungsweg“ eingereicht, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt. Dies ist dann der Fall, wenn das Dokument über den beA-Zugang derjenigen Person versendet wird, die für den Inhalt des Schriftsatzes verantwortlich zeichnet. Der maschinengeschriebene Namenszug eines Rechtsanwalts unter einem Schriftsatz genügt den Anforderungen an eine „einfache Signatur“. Versendet ein Rechtsanwalt einen Schriftsatz eines Kollegen über seinen eigenen beA-Zugang an das Gericht – etwa, weil der Zugang des Kollegen nicht verfügbar ist – stimmt die verantwortende Person daher nicht mit derjenigen des Versenders überein, wenn der versendende Kollege nicht die inhaltliche Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt. In einem sozialgerichtlichen Verfahren wegen der Ablehnung von Erwerbsminderungsrente (Beschluss zugestellt am 14.6.2021) wurde die Nichtzulassungsbeschwerde aus dem beA von Rechtsanwalt H am 14.7.2021 übermittelt. Es trägt den Briefkopf des Rechtsanwalts S und endet mit der maschinengeschriebenen Angabe „S, Rechtsanwalt“ sowie dem handschriftlichen Zusatz „für den verhinderten RA S“ und zwei nicht entzifferbaren Namenskürzeln sowie dem Zusatz „RA“. Der Senat am Bundessozialgericht kam zu dem Schluss, dass die Beschwerde nicht -innerhalb der Beschwerdefrist- in der vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bedarf – wie sich auch aus § 160a Abs. 1 S. 3 SGG ergibt – der Schriftform (BSG Beschluss vom 4.7.2018 – B 8 SO 44/18 B – juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 4). Hier hat der Rechtsanwalt ausschließlich ein Schreiben per beA übermittelt.1 Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Personentweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen sein (§ 65a Abs. 3 S. 1 Alt 1 SGG) oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGG). Im Falle der Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg bedarf es grundsätzlich keiner qualifizierten elektronischen Signatur (BVerwG Beschluss vom 4.5.2020 – 1 B 16/20 ua – Buchholz 310 § 55a VwGO Nr 4 = juris RdNr 5). Keine dieser Alternativen ist hier erfüllt. 1 Der Anwalt hatte angenommen, schon im Juli 2021 den Antrag per beA einreichen zu müssen. Die Nutzungspflicht nach § 65d SGG war aber erst zum 1.1.2022 in Kraft getreten. Rechtsprechungsübersicht 34 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 2/2022

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