Kammermitteilungen 2/2022

anwaltliches Verschulden bei der Datenübertragung ausgeschlossen werden könne. Die frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. (...) Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, das Rechtsmittel der Klägerin sei nicht in der gesetzlich bestimmten Frist begründet worden. Das Berufungsgericht hat die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung nicht ausreichend aufgeklärt. Gemäß § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich. Hierbei handelt es sich um gerichtsinterne Vorgänge, die für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments nicht von Bedeutung sind (vgl. Senatsbeschluss vom 25.8.2020 – VI ZB 79/19; BGH, Urteil vom 14.5.2020 – X ZR 119/18; Beschluss vom 11.5.2021 – VIII ZB 9/20). Dementsprechend steht es der Wirksamkeit und Rechtzeitigkeit des Eingangs nicht entgegen, wenn der für die Abholung von Nachrichten eingesetzte Rechner im internen Netzwerk das Dokument nicht von dem Intermediär-Server des Gerichts herunterladen kann, sondern lediglich eine Fehlermeldung erhält (BGH, Urteil vom 14.5.2020 – X ZR 119/18). Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen die Möglichkeit offen, dass die Berufungsbegründung am 23.8.2019 auf der für den Empfang elektronischer Dokumente bestimmten Einrichtung des Berufungsgerichts gespeichert worden ist und lediglich nicht von anderen Rechnern innerhalb des Gerichtsnetzes abgeholt werden konnte. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung auf das Ergebnis seiner Ermittlungen zum angegebenen Nachrichtenkennzeichen der Berufungsbegründung Bezug genommen. Von dieser Bezugnahme erfasst ist auch die an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtete E-Mail der Fachgruppe Justiz vom 26.8.2019, die diese dem Berufungssenat am 5.11.2019 auf dessen Rückfrage übermittelt hat. In dieser E-Mail wird darauf hingewiesen, dass die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23.8.2019 an das Berufungsgericht übersandte elektronische Nachricht nicht von der virtuellen Poststelle habe abgeholt und deshalb auch nicht an den Empfänger habe weitergeleitet werden können. Dies könne – neben weiteren angegebenen Umständen – den Grund haben, dass sich in den Dateinamen der Anhänge Umlaute oder Sonderzeichen befänden, wobei einige Probleme mit den Sonderzeichen ihre Ursache in der virtuellen Poststelle hätten. Diese Hinweise legen nahe, dass die am 23.8.2019 über das beA des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beim Berufungsgericht eingegangene Nachricht nicht in dem Sinne „ohne Inhalt“ war, dass sie bereits inhaltsleer und ohne Anhänge auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Oberlandesgerichts eingegangen, sondern vielmehr vollständig dort gespeichert worden war und lediglich für andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes, insbesondere der virtuellen Poststelle, keinen Inhalt hatte, weil diese nicht auf sie zugreifen konnten (vgl. zu einer derartigen Fallgestaltung BGH, Urteil vom 14.5.2020 – X ZR 119/18. Hierfür sprechen auch die von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus dem Protokoll des beA ihres Prozessbevollmächtigten, denen nicht nur zu entnehmen ist, dass der „allgemeinen Nachricht“ vom 23.8.2019 sechs Anlagen im PDF-Format beigefügt waren – darunter ein unter der Verwendung des Umlauts „ü“ als „Berufungsbegründung“ bezeichnetes Dokument mit 554 KB – sondern aus denen sich auch ergibt, dass ihrem Prozessbevollmächtigen eine automatisierte Bestätigung über den Eingang der Nachricht im Sinne von § 130a Abs. 5 ZPO erteilt worden ist. Die Eingangsbestätigung, die der Justizserver bei ordnungsgemäßem Zugang der Nachricht automatisch generiert und dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen soll, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11.5.2021 – VIII ZB 9/20), wird durch das beA-System grundsätzlich in die gesendete Nachricht mit eingebettet. Die Bestätigung findet sich in der im Ordner „Gesendet“ geöffneten Nachricht oder der Export-Datei der geöffneten Nachricht unterhalb der Dateianhänge als weiterer Anhang mit dem Meldetext „request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „erfolgreich“ (vgl. BGH, Beschluss vom 11.5.2021 – VIII ZB 9/20; BRAK, beA-Newsletter 31/2019, „Wo findet man Eingangsbestätigung, Prüf- und Übermittlungsprotokoll?“, abrufbar über das beA-Newsletter Archiv unter https://www.brak.de/bea-newsletter/, zuletzt abgerufen am 27.2.2022; Bacher, MDR 2021, 916, 917; Günther, NJW 2020, 1785, 1786). Im Streitfall zeigt das von der Klägerin mit Telefax vom 26.9.2019 übermittelte „Sendeprotokoll des beA-Postfachs auf der Website der Bundesrechtsanwaltskammer“, bei dem es sich um den Ausdruck der Export-Datei der im Ordner „Gesendet“ geöffneten Nachricht vom 23.8.2019 handeln dürfte (vgl. BRAK, beA-Newsletter 31/2019, aaO), unter dem Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“, Unterpunkt „Meldungstext“, die Meldung „request executed“, das Eingangsdatum vom 23.8.2019 und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ die Meldung „erfolgreich“ an. Dieselben Angaben enthält der mit Schriftsatz vom 9.10.2019 übersandte Screenshot der im Webportal der Bundesrechtsanwaltskammer zum beA geöffneten Nachricht vom Rechtsprechungsübersicht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 2/2022 33

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0