Kammermitteilungen 1/2023

Aus dem Inhalt www.rak-dus.de Informationen und offizielle Verlautbarungen 19. Jahrgang · Nr. 1 15.3.2023 · S. 1–28 2 Editorial Jahresbericht 4 Bericht der Präsidentin über das Geschäftsjahr 2022 Das aktuelle Thema 7 Forschungsprojekt Strukturvorgaben – Arbeitserleichterung für den Zivilprozess der Zukunft? (Von Jessica Laß und Dr. Hendrik Schultzky) Berichte und Bekanntmachungen 9 Ehrenamtliche Mitwirkung von Rechtsanwälten bei der Bearbeitung von Gnadensachen 9 Ausbildungskanzleien gesucht – RA Praktikumsprogramm 2023 10 Schlichtungsstelle der Anwaltschaft in Berlin: mehr Schlichtungsvorschläge und höhere Akzeptanz Die Kammer rät 12 Arbeitszeiterfassung – auch in der Rechtsanwaltskanzlei? (Von RAin Julia Kindler) Berufsrechtliche Rechtsprechung 14 EuGH stärkt anwaltliche Verschwiegenheitspflicht – EuGH, Urteil vom 8.12.2022 – RS C-694/20 14 Bundesgerichtshof entscheidet zu den Voraussetzungen der Zulassung von Geschäftsführern als Syndikusrechtsanwalt – Frage der grds. Zulässigkeit bleibt offen – BGH, Urteil vom 24.10.2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 16 Homepage/Blogbeitrag muss geändert werden – OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2022 – 16 U 255/21

Fachmedien Otto Schmidt KG | Neumannstraße 10 | 40235 Düsseldorf Fon: 0800 000-1637 | Fax: 0800 000-2959 | eMail: kundenservice@fachmedien.de Jetzt zwei Ausgaben gratis testen: www.klimarz.de 1 Seite 1–32 15.01.2023 2. Jahrgang KlimaRZ www.klimarz.de Zeitschrift für materielles und prozessuales Klimarecht Herausgeber: Prof. Dr. Martin Burgi · RA Prof. Dr. Ludger Giesberts, LL.M. (LSE) · Prof. Dr. Joachim Hennrichs · Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des BVerfG a.D. · Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch · Prof. Dr. Dörte Poelzig · RA Berthold Welling Editorial Anne-Christin Mittwoch Kohärenz im Kampf gegen den Klimawandel: Ein Plädoyer für das Konzept der planetaren Grenzen im Recht 2 g Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel Klimabürgerräte in Europa: Eine demokratische Innovation kombinatorischer Demokratie 4 Prof. Dr. Kirk W. Junker / Marvin Jürgens Werden Gerichte unsere Klimazukunft gestalten? Ein Vergleich zwischen Deutschland und den USA 7 Leon Widdrat Zur Vereinbarkeit der CSRD mit europäischem Primärrecht 12 Blick aus der Politik und Praxis Alexandra Klein Interview mit RA Dr. Gabriel Harnier und RA Dr. Niklas Pieper 16 Rechtsprechungsübersicht Auswirkungen des Klimaschutzgesetzes auf Planfeststellung– Nordverlängerung A 14 (BVerwG, Urt. – 4.5.2022– 9 A 7/21) m. Anm. Tim Uschkereit 18 Rechtmäßigkeit eines polizeilichen Präventivgewahrsams 20 Internationale Beiträge Nadine Pieper / Christian Schneider Insurance coverage for climate change litigation? 22 Die Zahl der Klimaklagen nimmt immer stärker zu und ist ein Ausdruck dafür, dass der Klimawandel eine der drängendsten Herausforderungen für die Welt ist. Die juristische Dimension des Klimaschutzes und des Klimarechts rückt dabei immer stärker in den Fokus. KlimaRZ –die neue Zeitschrift für materielles und prozessuales Klimarecht → Up to date im dynamischen Klimarecht Überblick über alle komplexen Fragen des Klimarechts, die aktuelle Rechtsprechung und die klimarechtlichen Debatten. → Internationale Ausrichtung Bericht über gesetzliche Vorgaben sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. → Unabhängige Berichterstattung Wahl der wichtigsten Themen, neutral, aus rein redaktioneller Sicht, frei von äußeren Einflüssen. → Gesammeltes Wissen verständlich auf den Punkt Unterschiedliche Interessen, Prioritäten und Perspektiven für Sie zusammengefasst. → Medienvielfalt Die Online-Datenbank Owlit ermöglicht jederzeit den digitalen Recherche-Zugriff. Sie ist bereits im Preis inkludiert und steht 3 Nutzern mit einer breiten Auswahl an Urteilen, Gesetzestexten und Verwaltungsanweisungen zur Verfügung. Klimaschutz braucht Recht

Informationen und offizielle Verlautbarungen 12. Jahrgang Nr. 4 31.12.2016 Inhaltsverzeichnis 9 1 15.3.2023 Editorial 2 Jahresbericht Bericht der Präsidentin über das Geschäftsjahr 2022 4 Das aktuelle Thema Forschungsprojekt Strukturvorgaben – Arbeitserleichterung für den Zivilprozess der Zukunft? (Von Jessica Laß und Dr. Hendrik Schultzky) 7 Berichte und Bekanntmachungen Ehrenamtliche Mitwirkung von Rechtsanwälten bei der Bearbeitung von Gnadensachen 9 Ausbildungskanzleien gesucht – RA Praktikumsprogramm 2023 9 Anwaltsschule Paris zu Besuch bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf 9 BRAK-Stellungnahme zum Rechtsstaatlichkeitsjahresbericht der Europäischen Kommission 10 Schlichtungsstelle der Anwaltschaft in Berlin: mehr Schlichtungsvorschläge und höhere Akzeptanz 10 ABC – Steuerfragen für Rechtsanwälte (Stand: Februar 2023) 10 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe 11 Die Kammer rät Arbeitszeiterfassung – auch in der Rechtsanwaltskanzlei? 12 (Von RAin Julia Kindler) Berufsrechtliche Rechtsprechung EuGH stärkt anwaltliche Verschwiegenheitspflicht – EuGH, Urteil vom 8.12.2022 – RS C-694/20 14 Bundesgerichtshof entscheidet zu den Voraussetzungen der Zulassung von Geschäftsführern als Syndikusrechtsanwalt – Frage der grds. Zulässigkeit bleibt offen – BGH, Urteil vom 24.10.2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 14 Homepage/Blogbeitrag muss geändert werden – OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2022 – 16 U 255/21 16 Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt auch in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren. § 14b FamFG gilt ohne Bereichsausnahme – BGH, Beschluss vom 21.9.2022 – XII ZB 264/22 16 Möglichkeit der Niederschrift entbindet Rechtsanwälte nicht – BGH, Beschluss vom 7.12.2022 – XII ZB 200/22 18 Veranstaltungshinweise Kammerveranstaltungen im 2. Quartal 2023 19 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 III

Vorstandswahl 2023! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wahlfrist für die Vorstandswahl 2023 läuft bereits. Stimmen können noch bis einschließlich 23.03.2023, 16 Uhr, abgegeben werden. Nähere Informationen, auch zu den Kandidaten, erhalten Sie unter https://www.rak-dus.de/die-kammer/veroeffentlichungen/vorstandswahl-2023/ Impressum KammerMitteilungen Informationen und offzielle Verlautbarungen der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf. Herausgeber: Rechtsanwaltskammer Düsseldorf (Freiligrathstr. 25, 40479 Düsseldorf, Tel. 0211-495020, Telefax 0211-4950228, E-Mail: info@ rak-dus.de, Internet: www.rak-dus.de Schriftleitung: Rechtsanwältin Julia Kindler, Geschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf (Adresse wie oben). Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln, Tel. 0221-93738-997 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), Telefax 0221-93738-943 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung), E-Mail: info@ottoschmidt.de. Konten: Sparkasse KölnBonn IBAN DE87 3705 0198 0030 6021 55; Postbank Köln IBAN DE40 3701 0050 0053 9505 08. Erscheinungsweise: vierteljährlich Bezugspreise: Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf werden die KammerMitteilungen im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer besonderen Bezugsgebühr zugestellt. Anzeigenverkauf: sales friendly Verlagsdienstleistungen, Pfaffenweg 15, 53227 Bonn; Telefon 0228-97898-0; Fax 0228-97898-20; E-Mail: media@ sales-friendly.de. Gültig ist die Preisliste vom 1.1.2023. Urheber- und Verlagsrechte: Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie redaktionell bearbeitet oder redigiert worden sind. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungen und Verarbeitungen in elektronischen Systemen. ISSN 1614-8843

Kammerversammlung bitte vormerken! Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte reservieren Sie schon jetzt Zeit für die nächste Kammerversammlung am Mittwoch, den 26.4.2023, 16.00 Uhr, im Industrie-Club, Elberfelder Str. 6, 40213 Düsseldorf.

Editorial Cui bono? Leonora Holling Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das vergangene Jahr stand im Zeichen vieler Veränderungen für die Rechtsanwaltschaft. Nachdem zum 1.1.2022 die verpflichtende Nutzung des beA den Auftakt machte, schloss sich am 1.8.2022 das vollständige Inkrafttreten der großen BRAO-Reform an. Diese Reform verpflichtet die überwiegende Mehrheit der mit der Berufsausübung verbundenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sich nunmehr als Berufsausübungsgesellschaft bei ihrer örtlichen Rechtsanwaltskammer zuzulassen. Dem insoweit erwartbaren Antragsaufkommen auf Zulassung hatte die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf bereits im Vorfeld durch entsprechende personelle Aufstockung und Umstrukturierung der Kammergeschäftsstelle vorgebeugt. An dieser Stelle kann ich heute deshalb feststellen, dass wir die Anträge entsprechend zügig bearbeiten und die Zulassungsverfahren in angemessener Zeit abschließen konnten. Danken möchte ich dabei aber auch ausdrücklich den Antragstellern für ihre erforderliche Mitarbeit, ohne die dies nicht möglich gewesen wäre! Im September 2022 erfolgte sodann der Austausch der bisherigen beA-Karten für alle Berufsträgerinnen und Berufsträger unseres Kammerbezirkes. Der Unmut der Kollegenschaft, etwa wegen nicht rechtzeitig durch die Bundesnotarkammer übersandter neuer Karten, die unverständliche Menüführung beim Kartentausch oder die technischen Probleme mit der neuen qualifizierten Signaturfunktion, ist absolut nachvollziehbar. Als Ihre örtliche Rechtsanwaltskammer arbeiten wir nach wie vor daran, sowohl bei der Bundesnotarkammer als auch bei der Bundesrechtsanwaltskammer die anhaltenden Missstände nachdrücklich zu adressieren, damit diese abgestellt werden. Insoweit kann ich an dieser Stelle nur nochmals das Angebot an Sie erneuern, sich bei Problemen im Zusammenhang mit dem beA unmittelbar an uns als Ihre örtliche Kammer zu wenden. Wir werden auch weiterhin alles in unserer Macht stehende tun, um Ihnen den Umgang mit dem beA zu erleichtern. Das beA muss zu einem Tool ausgebaut werden, welches die Arbeit der Rechtsanwaltschaft mittelfristig erleichtert und nicht zu Problemen in Arbeitsabläufen führt. Wir sollten uns als Rechtsanwaltschaft zudem darüber im Klaren sein, dass der weitere Ausbau der Digitalisierung von der Justiz vorangetrieben werden wird. Hierbei darf aber nicht nur die Frage gestellt werden, ob dies ein richtiger Schritt in der Zukunft unseres Rechtsstaates ist, sondern auch, wer von diesem Schritt profitiert. So ist die Videoverhandlung in den Zeiten der Pandemie durch die Kollegenschaft durchaus als nützlich im Hinblick auf ersparte Reisezeit und Beschleunigung der Verfahren begrüßt worden. Wenn die Gerichte eine solche denn angeordnet haben. Hingegen ist der Nutzen der Einreichung digitaler Schriftsätze für die Anwaltschaft weit hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben. Viele Gerichte sind nach wie vor nicht so ausgestattet, dass eine Weiterverarbeitung dieser digitalen Schriftsätze möglich wäre. Die Antwort der Justiz auf die Investitionen der Anwaltschaft in beA und digitale Kanzleiausstattung ist oft ein Fax. Deshalb müssen wir die Frage nach dem Nutzen stellen, wenn die Justizspitzen bereits jetzt das Projekt des strukturierten Parteivortrages vehement vorantreiben wollen. Zum derzeitigen Sachstand empfehle ich Ihnen insoweit den Beitrag in dieser Ausgabe der KammerMitteilungen auf Seite 7. Wie diese Strukturierung des Parteivortrages einmal aussehen wird, ist dabei noch unbestimmt. Verschiedene Testlabore erproben aktuell, auch erfreulicherweise unter Einbindung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, dessen Praxistauglichkeit. Den Erprobungen sollten wir als Rechtsanwaltschaft durchaus konstruktiv gegenüberstehen. Nach jetzigem Erkenntnisstand könnte die Strukturierung des Parteivortrages auch für die Anwaltschaft Vorteile bieten. Dabei muss aber eindeutig klar sein, dass unserer Funktion als Organ des Zugangs zum Recht für alle stets uneingeschränkt erhalten bleibt. Genauso wie wir nicht ureigenste richterliche Aufgaben, wie die Feststellung des Tatbestandes für die Richterschaft, übernehmen können oder wollen. Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf wird die Bestrebungen bei der Digitalisierung in und durch die Justiz daher weiterhin mit höchster Aufmerksamkeit beobachten und sich dafür einsetzen, dass die Belange der Rechtsanwaltschaft in diesem Bereich gewahrt werden. 2 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

Auch und gerade nach der Reform bleibt dieses Handbuch das perfekte Arbeitsmittel für jeden, der auf professionellem Niveau mit wohnungseigentumsrechtlichen Fragestellungen befasst ist. Die Neuauflage hat nicht nur die Novelle mit ihren zentralen Themen aufgearbeitet: Anfechtung des Verwaltervertrages, wirksame Vereinbarung von Verwaltervergütungen, Inhalt der Jahresabrechnung, Bereicherungsanspruch bei für ungültig erklärtem Abrechnungsbeschluss, Anwendbarkeit der neuen §§ 9a, 9b WEG. Auch alle anschließenden Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur haben Eingang in das Handbuch gefunden. Checklisten, Musterformulierungen und Hinweise zu Strategie und Taktik erleichtern den Umgang mit dem neuen Recht und geben Sicherheit für die Handhabung in der Praxis. Bestellung unter otto-schmidt.de Köhler Anwalts-Handbuch Wohnungseigentumsrecht Herausgegeben von RA Wilfried J. Köhler. Bearbeitet von einem hochkarätigen WEG-Expertenteam. 5. neu bearbeitete Auflage 2023, 1.672 Seiten, Lexikonformat, gbd., 159 €. ISBN 978-3-504-18073-7 Das Werk online otto-schmidt.de/akr juris.de/mietr Neuauflage: Macht da weiter, wo die WEG-Reform aufgehört hat! Als weiteres wichtiges Thema empfehle ich Ihnen zudem den Beitrag zur Arbeitszeiterfassung in Rechtsanwaltskanzleien auf Seite 12. Sie sollten in Ihren Kanzleien prüfen, welche Maßnahmen Sie zu einer ordnungsgemäßen Zeiterfassung getroffen haben und ob diese ggf. verbesserungsbedürftig sind. Außerdem finden Sie in diesem Heft wie immer ab Seite 14 aktuelle Entscheidungen, die im Hinblick auf das Berufsrecht relevant sind. Schließlich empfehle ich Ihnen den Jahresbericht der Kammer 2022 ab Seite 4. Persönlich wünsche ich Ihnen für das laufende Jahr viele erfolgreiche Mandate und Freude an Ihrer freiberuflichen Tätigkeit, deren Wesenskern der Nutzen für den Mandanten ist. Ihre Leonora Holling Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf Editorial KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 3

Jahresbericht Bericht der Präsidentin über das Geschäftsjahr 20221 Leonora Holling, Präsidentin I. Einleitung 1 Der vollständige Bericht ist abrufbar unter www.rak-dus.de (Rubrik: Die Kammer/Veröffentlichungen). Die vergangenen Jahre waren geprägt vom Ringen um eine Reform und Erneuerung des anwaltlichen Berufsrechts. Zuvorderst sind hier zu nennen das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe, das Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften sowie das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt. Im Berichtsjahr 2022 galt es, die beschlossenen Reformen in das Verwaltungshandeln der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf zu übertragen. Im Mittelpunkt stand dabei die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaften, die seit 1.8.2022 möglich ist. Gut 250 Anträge auf Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft sind bei der Rechtsanwaltskammer bis zum Stichtag 1.11.2022 eingegangen. Dank einer guten Vorbereitung, aber vor allem dank des hohen Engagements der beteiligten Vorstandsmitglieder und Mitarbeitenden der Geschäftsstelle konnte bis Jahresende der Großteil der Anträge bereits abschließend bearbeitet werden. Nur in Einzelfällen wurden die neuen Möglichkeiten, die die BRAO im anwaltlichen Gesellschaftsrecht bietet, genutzt. Der Gesellschafterkreis beschränkte sich meist auf die seit jeher als „sozietätsfähig“ eingestuften Berufsgruppen. So waren gesellschaftsrechtliche Verbindungen mit einem beratenden Betriebswirt oder einem Universitätsprofessor die absoluten Ausnahmen. Fast alle Anträge betrafen zudem Berufsausübungsgesellschaften, bei denen nach § 59f Abs. 1 BRAO eine Zulassungspflicht besteht. Nur in einem Fall hat eine als GbR organisierte Kanzlei freiwillig die Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf beantragt. Das von vielen Seiten geforderte und für zugelassene Berufsausübungsgesellschaften zur Verfügung stehende Kanzlei-beA scheint keinen besonderen Anreiz für eine freiwillige Zulassung darzustellen. Sicherlich liegt dies auch an den vielfältigen Problemen, die den Betrieb des beA auch im Jahr 2022 kennzeichneten. Die kurzfristig angekündigten Updates und sonstigen Störungen im laufenden Betrieb treten dabei aufgrund der massiven Probleme beim Tausch der beA-Karten in den Hintergrund. Der Tausch der durch die Zertifizierungsstelle der BNotK ausgegebenen Karten war unumgänglich, da bei einem Teil der in Umlauf befindlichen Karten das fortgeschrittene Zertifikat für die Anmeldung am beA zum 8.9.2022 endete, im Übrigen endete die sicherheitstechnische Zulassung der bisherigen beA-Karten Signatur mit Ablauf des 31.12.2022. Es würde den Rahmen sprengen, an dieser Stelle die Probleme im Einzelnen zu beschreiben. Es bleibt jedoch zu konstatieren, dass der Tausch der beA-Karten durch die BNotK suboptimal gelaufen ist und die Arbeitsabläufe in vielen Kanzleien massiv beeinträchtigt hat. Wo es möglich war, habe ich persönlich und die Mitarbeitenden der Geschäftsstelle zu helfen versucht. In vielen Fällen ist uns dies gelungen, was sicherlich auch auf meine nachdrücklichen Interventionen bei der BRAK zurückzuführen ist. Es bleibt zu hoffen, dass ein Lernprozess eingesetzt hat, um die Abläufe zu verbessern und doch noch eine breite Akzeptanz in der Kollegenschaft für das beA zu erzielen. Nach diesen wenigen einleitenden Bemerkungen erstatte ich wie folgt Bericht über das abgelaufene Geschäftsjahr: II. Die Tätigkeiten der Kammer Als eine der größten Kammern ist die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf in besonderem Maße in die (Berufs-)Politik involviert. Der Kammervorstand und die Geschäftsführung bringen in Stellungnahmen ihren Sachverstand ein. Die „Mitgliederverwaltung“ und die Vorort-Betreuung des rechtsuchenden Publikums stellen weitere – und vielleicht noch wichtigere – Aufgaben dar. Hierauf gehe ich im Folgenden ein. 1. Entwicklung der Mitgliederzahlen im Kammerbezirk Düsseldorf Nachdem die Kammer im Jahr 2020 erstmalig seit vielen Jahren einen Mitgliederrückgang hinnehmen musste (-0,07%) konnte im Jahr 2022 wieder ein Anstieg von 2,38% verzeichnet werden. Dies ist allerdings auf den Sondereffekt zurückzuführen, dass seit dem 1.8.2022 Berufsausübungsgesellschaften eine Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer beantragen können und in bestimmten Fällen sogar müssen. Außerdem blieb es dabei, dass ein Mitgliederzuwachs bei den Syndikusrechtsanwältinnen/-anwälten zu verzeichnen ist. Weiterhin besteht dagegen der negative Trend bei den niedergelassenen Rechtsanwältinnen/-anwälten. 4 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

Deren Anzahl nahm wie in den vergangenen Jahren um immerhin 87 (-0,82%) ab. Am 31.12.2022 betrug die Zahl der Kammermitglieder 13.231. Davon haben 10.587 „nur“ eine Zulassung als niedergelassene/r Rechtsanwältin/-anwalt, 1.767 eine sog. Doppelzulassung als niedergelassene/r Rechtsanwältin/-anwalt und Syndikusrechtsanwältin/-anwalt und 570 „nur“ eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin/-anwalt. Kammermitglieder sind außerdem 280 Berufsausübungsgesellschaften (davon 87 Anwalts-GmbHs, 187 PartGmbB, eine UG, zwei GbR, zwei Anwalts-AG und eine LLP). 2. Aufsichtsangelegenheiten Im Jahr 2022 behandelte der Vorstand insgesamt 1.055 neu angelegte Aufsichtssachen (gegenüber 1.462 im Jahr 2021, 1.041 im Jahr 2021, 1.344 im Jahr 2019, 1.147 im Jahr 2018, 1.211 im Jahr 2017 und 1.452 im Jahr 2016). Allein 89 Verfahren davon wurden von Amts wegen eingeleitet, weil Mitglieder der passiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (§ 31a Abs. 6 BRAO) nicht nachgekommen sind. Dies zeigt, dass sich der positive Trend der zurückgehenden Aufsichtsverfahren fortgesetzt hat. Das zeigen auch die folgenden Zahlen: Im Jahr 2022 wurden 50 Beschwerden zurückgenommen, 339 als unbegründet zurückgewiesen und 57 auf sonstige Weise (z.B. durch Aussetzung wegen eines gleichzeitig anhängigen Strafverfahrens, Abgabe zuständigkeitshalber an eine andere Rechtsanwaltskammer, Abgabe in die Schlichtungsabteilung oder Ausscheiden des betroffenen Rechtsanwalts aus der Kammer Düsseldorf) erledigt. 21 Verfahren erledigten sich, da sich der Beschwerdeführer im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung nicht mehr meldete. 23 Beschwerdesachen wurden an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben. Auf Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft wurde in einem strafrechtlich verfolgten Verhalten eines Rechtsanwalts in sechs Fällen ein berufsrechtlicher Überhang und in 49 Fällen kein Überhang gesehen. Nur in 19 Fällen mussten Rügen verhängt werden. In 25 Fällen wurde dem von einem Aufsichtsverfahren betroffenen Rechtsanwalt eine Belehrung erteilt. 264 im letzten Jahr eingegangene Verfahren sind noch unerledigt. Außerdem bearbeiteten die Abteilungen 77 Selbstanfragen. 3. Aufsicht nach dem Geldwäschegesetz (GwG) Die für Rechtsanwälte zuständige Aufsichtsbehörde nach dem GwG ist gem. § 50 Ziff. 3 GwG die jeweils örtliche Rechtsanwaltskammer. Sie übt gem. § 51 Abs. 1 GwG die Aufsicht über die nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG verpflichteten Mitglieder aus. Die Rechtsanwaltskammer führt als Aufsichtsbehörde gem. § 51 Abs. 3 GwG bei ihren verpflichteten Mitgliedern Prüfungen zur Einhaltung der im GwG festgelegten Anforderungen durch. Im Jahr 2022 führte die Abteilung IX insgesamt 642 anlasslose Kontrollen durch. In 260 Fällen konnte eine Verpflichtung nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG festgestellt werden, was einem Anteil von 40,5% entspricht. Aus den im ersten Teil der Prüfung als Verpflichtete identifizierten Mitgliedern wurden 63 zur weiteren Überprüfung der Einhaltung der Pflichten nach dem GwG risikobasiert ausgewählt. Alle Prüfungen konnten bereits vollständig abgeschlossen werden. Belehrungen gemäß § 51 Abs. 2 S. 2 GwG i.V.m. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO mussten in zwölf Fällen ausgesprochen werden, weil die Prüfung ergab, dass bestimmte Vorschriften nach dem GwG nicht erfüllt wurden. In weiteren 32 Fällen war nichts zu veranlassen, weil die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG verpflichteten Mitglieder die Vorschriften des GwG ordnungsgemäß umgesetzt hatten. In sieben Verfahren ergab sich, dass doch keine Verpflichtung der Überprüften nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG vorlag. Leider musste die Abteilung in acht Fällen Bußgelder und in vier Fällen Verwarngelder nach § 56 OWiG wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 56 GwG verhängen. 4. soziale Medien Das Präsidium hat am 12.1.2022 beschlossen die Kammer und ihre Arbeit auch in den sozialen Medien zu präsentieren. Anfang 2022 wurden deshalb Profile der Kammer bei LinkedIn und Instagram angelegt. Der Auftritt bei LinkedIn hat bereits 927 FollowerInnen. Es gab insgesamt über 1.700 Reaktionen, 120 Kommentare und 75 direkt geteilte Beiträge. Insgesamt wurden mehr als 150 Beiträge veröffentlicht. Auf Instagram folgen der Rechtsanwaltskammer 203 Personen. Hier wurden bisher 38 Beiträge veröffentlicht. Insgesamt sind beide Auftritte positiv zu bewerten und sollten fortgeführt werden. 5. Aus- und Fortbildung der Rechtsanwaltsfachangestellten Im Jahr 2022 wurden nur 232 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Der erneute Rückgang um 2,52% (gegenüber 2015 sogar um 34,46%) ist alarmierend, gerade weil er eine seit langem anhaltende Tendenz verfestigt. Die Corona-Pandemie mag ihren Anteil gehabt haben, kann aber nicht der einzige Grund sein, dass immer weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen werden. Die Kammer ist sich des Problems einer oftmals unzulänglichen Eignung bzw. Vorbildung jugendlicher Schulabgänger bewusst. Dennoch sind wir aufgerufen, nicht nur im Interesse der jungen Leute, sondern vor allem auch im eigenen Interesse, Ausbildungsplätze in unseren Kanzleien zur Verfügung zu stellen und qualifizierten Nachwuchs auszubilden. Wenn wir bei der Klage über ein unzulängliches Schulsystem und mäßig prädestinierte Bewerber/innen verharren, wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen. Jahresbericht KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 5

PlathDSGVO BDSG TTDSG Kommentar Herausgegeben von RA Dr. Kai-Uwe Plath, LL.M. Bearbeitet von RA Thomas Becker, LL.M. Eur.; FAIT-Recht Dr. Axel Freiherr von dem Bussche, LL.M.; RA Dr. Jan-Michael Grages; Nils Hullen, LL.M.; RA Frank Ingenrieth, LL.M.; RA Valerian Jenny; RA Dr. Wulf Kamlah; RA Dr. Niclas Krohm; FAArbR Dr. Michael Kuhnke; RA Dr. Kai-Uwe Plath, LL.M.; RA Dr. Carlo Piltz; RAin Kira Raguse; Prof. Dr. Jan Dirk Roggenkamp; FAIT-Recht Dr. Lutz Schreiber; FAinArbR Dr. Katrin Stamer; RA Matthias A. Struck; Jörn Wittmann. 4. neu bearbeitete Auflage 2023, ca. 1.500 Seiten, A5, gbd., ca. 160 €. Erscheint imMai, ISBN 978-3-504-56076-8 Das Werk online otto-schmidt.de/bmds juris.de/dsgvo Den Anforderungen des Datenschutzes gerecht zu werden, ist alles andere als einfach. Dem Trend hin zu immer mehr datengetriebenen Geschäftsprozessen stehen eine komplizierte Rechtslage sowie hohe Strafen und Bußgelder gegenüber. Da kommt der neuePlath mit seinen pragmatischen und meinungsfreudigen, dabei aber stets grundsoliden Lösungen für die betriebliche Praxis gerade recht. Die Neuauflage bietet umfassend aktualisierte Kommentierungen zu DSGVO und BDSG und erstmals auch zum TTDSG in einem Band. Mit bewusst unternehmensbezogener Schwerpunktsetzung ordnen die Autoren aktuelle Rechtsprechung, Stellungnahmen der Aufsichtsbehörden, Guidelines des EDSA, die Umsetzung im europäischen Ausland, Auslegungsfragen oder Literaturstimmen zuverlässig ein. Leseprobe und Bestellung unter otto-schmidt.de Auf schmalem Grat sicher unterwegs. DSGVO BDSG TTDSG Kommentar Neuauflage mit TTDSG! Die Rechtsanwaltskammer nimmt die bestehenden Probleme sehr ernst. So wurden bereits seit vielen Jahren durchgeführte Bemühungen im Jahr 2022 fortgeführt. Um über Ausbildungsinhalte aufzuklären und Interesse zu wecken, haben Vertreter/innen der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf im Jahr 2022 an zehn Ausbildungsmessen in unserem Bezirk teilgenommen. Außerdem hat der Vorstand der Rechtsanwaltskammer beschlossen, die Gebühren für die Zwischen- und Abschlussprüfungen abzuschaffen. Die finanzielle Entlastung soll die ein oder andere Kanzlei dazu bewegen, vielleicht doch einen Ausbildungsplatz anzubieten. III. Fazit Aus Sicht des Kammervorstands und der Geschäftsstelle war das Jahr 2022 trotz der besonderen Herausforderungen ein Jahr, in dem erfolgreiche Arbeit zum Wohle unserer Mitglieder geleistet wurde. Wir werden auch im laufenden Jahr der verlässliche Partner an Ihrer Seite sein! Ihre Leonora Holling Präsidentin Jahresbericht 6 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

Das aktuelle Thema Forschungsprojekt Strukturvorgaben – Arbeitserleichterung für den Zivilprozess der Zukunft? Von Jessica Laß, Leitende Ministerialrätin des Niedersächsischen Justizministeriums, und Dr. Hendrik Schultzky, Ministerialrat des Bayerischen Justizministeriums Das von der Universität Regensburg gemeinsam mit den Justizministerien Bayerns und Niedersachsens durchgeführte Forschungsprojekt „Strukturvorgaben für den Parteivortrag im Zivilprozess“ wird 2023 an vier Landgerichten erproben, ob und wie der Zivilprozess im digitalen Zeitalter gestaltet werden könnte1 1 Dieser Beitrag ist eine durch die Autoren auf den Kammerbezirk angepasste Fassung eines zuerst in den Mitteilungen 06/2022 der RAK München erschienen Beitrags. . I. Aufgabe des Forschungsprojekts Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ist gerade abgeschlossen. Für die Gerichte steht bereits der nächste Meilenstein bei der Digitalisierung der Justiz an: Die elektronische Akte muss und wird bundesweit für den Zivilprozess und zahlreiche weitere Verfahrensarten bis 2026 eingeführt werden. Auch in den Anwaltskanzleien wird – diese Prognose kann guten Gewissens gewagt werden – nach und nach die Papierakte verschwinden. Das Rechtswesen wechselt so Schritt für Schritt aus der früheren Papierwelt in die digitale Welt. Digitalisierung kann jedoch nicht damit enden, das Arbeitsumfeld zu modernisieren. Sie nötigt auch zur Prüfung, inwieweit die Verfahrensregeln der ZPO und der übrigen Verfahrensordnungen noch zeitgemäß sind und wo Anpassungsbedarf und Optimierungspotentiale bestehen. Hier setzt ein Forschungsprojekt der Universität Regensburg mit den Lehrstühlen für Zivilprozessrecht (Prof. Dr. Althammer) und für Medieninformatik (Prof. Dr. Wolff) an, das gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und dem Niedersächsischen Justizministerium durchgeführt wird. Es untersucht, ob der seit gut einem Jahrhundert geübte Austausch von Schriftsätzen im bekannten Rhythmus Klage, Klageerwiderung, Replik, Duplik usw. im Zivilprozess immer noch die beste Möglichkeit ist, um zur Sache vorzutragen und sich mit den Argumenten des Gegners auseinanderzusetzen. II. Forschungsgegenstand Ausgangspunkt des Forschungsprojekts ist ein sog. digitales Basisdokument, das den gesamten Parteivortrag in sachlicher und rechtlicher Hinsicht zusammenfasst. In dem einheitlichen Dokument wird der aktuelle Verfahrensstand stets übersichtlich und frei von Wiederholungen abgebildet. Das Basisdokument soll an die Stelle des Austauschs von Schriftsätzen treten und für das Gericht Entscheidungsgrundlage sein. Die Parteivertreter tragen in diesem Modell vor, indem sie das gemeinsame Verfahrensdokument befüllen. Der Parteivortrag wird dabei weder nach Umfang noch nach Inhalt beschränkt noch wird eine bestimmte Anordnung des Parteivortrags vorgegeben. Eine inhaltliche Strukturierung, z.B. durch Vorgabe von „Kästchen“, in denen bestimmte Eingaben abgefragt werden, ist nicht vorgesehen. „Struktur“ innerhalb des Basisdokuments soll im Wesentlichen durch drei formale Ordnungsprinzipien geschaffen werden: Die Notwendigkeit einer Gliederung und die Bezugnahme auf gegnerisches Vorbringen, wo möglich, entsprechen weitgehend der schon geübten Praxis in der Papierwelt. Neu ist lediglich das Gebot, ergänzenden Vortrag an der passenden Stelle in den eigenen Vortrag einzufügen. Auch solche rein formalen Strukturvorgaben für den Parteivortrag werden den Verfahrensablauf nicht unberührt lassen. Sie sind vielmehr Anlass, auch insoweit eine Modernisierung des Verfahrensrechts in den Blick zu nehmen. Die digitale Aufbereitung des Parteivortrags in einer geordneten Form, wie in dem Basisdokument, wird in seiner Wirkung noch verstärkt, wenn das Gericht eine aktivere Rolle einnimmt, zielgenaue Hinweise erteilt und die Abschichtung des Prozessstoffes veranlasst. Termine, in denen das Gericht mit den Parteivertretern frühzeitig die weitere Verfahrensgestaltung z.B. per Videokonferenz bespricht, sind ebenfalls eine Option. Auch zu diesen Aspekten der Strukturierung will das Projekt Erkenntnisse gewinnen. III. Einbeziehung aller Sichtweisen In der rechtspolitischen Diskussion wird zwar fast durchgängig der Befund geteilt, dass der Parteivortrag im Zivilprozess mit zunehmender Komplexität der Verfahren und auch der Prozessdauer unübersichtlicher wird und die Parteivertreter sowie die Gerichte einen erheblichen Aufwand für dessen Aufbereitung betreiben müssen. Dennoch werden Strukturvorgaben, die über die bisherigen Regelungen der ZPO hinausgehen, gerade auch von Teilen der Anwaltschaft kritisch gesehen. Die Bedenken beziehen sich neben den bestehenden (und bei der Einführung des beA leidvoll durchlebten) technischen Herausforderungen auch darauf, dass der Standpunkt der Mandantschaft nicht mehr in dem KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 7

Jetzt bestellen: otto-schmidt.de Auf Rekordkurs Der aktuelle Zöller. 34. Auflage. gebotenen Umfang und der gebotenen Form dargelegt werden könne. Von Beginn an ist deshalb die gerichtliche und anwaltliche Praxis in das Projekt einbezogen worden. Bereits in einem Vorprojekt wurden die Anforderungen an eine Strukturierung durch Interviews mit Anwältinnen und Anwälten sowie Richterinnen und Richtern erhoben, die die Grundlage für die Gestaltung des digitalen Basisdokuments bilden. Darüber hinaus wurden in Workshops mit Vertretern der Anwaltschaft und der Richterschaft die fachlichen Vorbedingungen für eine Erprobung diskutiert. Nähere Informationen über das Projekt werden im Internet unter www.basisdokument.de bereitgestellt, wo auch über den aktuellen Projektstand informiert wird. IV. Ergebnisoffener Praxistest Auch die Einbindung der Sichtweisen aller Stakeholder ändert aber noch nichts daran, dass die angestellten Überlegungen letztlich theoretischer Natur sind. Eine Entscheidung über die Einführung von Strukturvorgaben ist so kaum möglich. Angesichts der Bedeutung der Verfahrensregeln für die Verwirklichung der Rechte der Parteien und letztlich für den Rechtsstaat erscheint vielmehr ein ergebnisoffener Praxistest geboten, der eine empirisch fundierte Empfehlung an den Gesetzgeber begründen kann. Das Forschungsprojekt ist daher im Januar und Februar 2023 in ein „Reallabor“ überführt werden. In einem einjährigen Test sollen an den Landgerichten Hannover, Landshut, Osnabrück und Regensburg Rechtsstreitigkeiten mit dem digitalen Basisdokument von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und dem Gericht geführt werden. Um die Strukturvorgaben greifbar zu machen und den Versuch zu ermöglichen, hat die Universität Regensburg den Prototyp einer Strukturierungssoftware entwickelt, der in den Testverfahren von Gerichts- und Rechtsanwaltsseite genutzt werden soll. Der Prototyp dient in erster Linie als Hilfsmittel, um den Inhalt einer möglichen Änderung der Zivilprozessordnung zu evaluieren. Er soll nicht die spätere technische Umsetzung vorgeben. So ist der Funktionsumfang des Prototyps noch eingeschränkt. Großer Wert wurde allerdings auf eine möglichst selbsterklärende Benutzeroberfläche gelegt, um den Einarbeitungsaufwand gering zu halten. Weitere Anforderungen an die Durchführung des Tests stellt das geltende Recht. Unabdingbar ist die Wahrung rechtlichen Gehörs und des fair trial-Grundsatzes. Rechtliche Risiken für die Anwaltschaft, die bei der Erprobung entstehen könnten, sind vor der Gestaltung des Testumfelds sorgsam geprüft worden. Die prozessuale Wirksamkeit der Nutzung des Basisdokuments wird dadurch erreicht, dass die Übertragung unter Einhaltung der Vorgaben des elektronischen Rechtsverkehrs erfolgt. Ein Abbruch des Versuchs mit dem Basisdokument ist jederzeit möglich. Das Verfahren kann dann mit dem Austausch von Schriftsätzen fortgeführt werden. Auch zur Einhaltung des Datenschutzes und der Nutzbarkeit in den verschiedenen IT-Umgebungen der Rechtsanwaltskanzleien wurden Lösungen entwickelt. So wird kein Download einer Software erforderlich sein und alle Daten werden nur lokal gespeichert. Die Teilnahme am Test ist für alle Beteiligten freiwillig. Das Reallabor ist deshalb auf die Unterstützung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten angewiesen, die die Verfahren bei den am Test beteiligten Richterinnen und Richtern führen. Denn getestet werden kann nur in Verfahren, in denen ein „Match“ zustande kommt: Sowohl Kläger- als auch Beklagtenvertreter müssen – wie ihre Parteien und das Gericht – damit einverstanden sein, bei dem Versuch mitzuwirken. Das „Match“ muss nicht unbedingt vor Klageerhebung feststehen, sondern kann auch noch nach Eingang der Klage oder zu einem späteren Zeitpunkt geschaffen werden. V. Ausblick Schon während des Reallabors sollen die praktischen Erfahrungen erfasst werden. Der Prototyp des Strukturierungstools soll aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse fortlaufend weiterentwickelt werden. Am Ende des Projekts, voraussichtlich im 1. Halbjahr 2024, steht dann eine fundierte Bewertung durch die Projektgruppe, die auch Leitfaden für die Frage eines gesetzgeberischen Tätigwerdens sein soll. Das aktuelle Thema 8 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

Berichte und Bekanntmachungen Ehrenamtliche Mitwirkung von Rechtsanwälten bei der Bearbeitung von Gnadensachen Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf wird regelmäßig durch den Oberlandesgerichtspräsidenten gebeten, eine genügende Anzahl von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die zu einer ehrenamtlichen Mitwirkung bei der Bearbeitung von Gnadensachen bereit sind, zu benennen. Wir suchen daher fortlaufend weitere engagierte Kolleginnen und Kollegen aus dem ganzen Kammerbezirk, die bereit sind, an Gnadensachen der seit 1968 bestehenden Gnadenstelle mitzuwirken. Melden Sie sich gerne bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, Frau Lara Hahnen (Tel.: 0211/49502-22, E-Mail: L.Hahnen@rak-dus.de) (jki) Ausbildungskanzleien gesucht – RA Praktikumsprogramm 2023 In der 32.-37. Kalenderwoche 2023 wird das anwaltsorientiere Praktikumsprogramm, welches die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität und der Freundeskreis der Düsseldorfer Juristischen Fakultät e.V. gemeinsam anbieten schon zum 14. Mal stattfinden. Es handelt sich um ein duales Praktikumsprogramm, welches die praktische Ausbildungszeit im Rahmen des Pflichtpraktikums nach § 8 JAG NRW mit Theorieanteilen verbindet. Die Studierenden erhalten jeweils montags, bzw. in der letzten Praktikumswoche freitags, Einblicke in das theoretische Handwerkszeug des Rechtsanwalts durch Vorträge, Rollenspiele und Workshops in den Räumen der Rechtsanwaltskammer. Die übrigen Tage des Praktikums verbringen die Studierenden jeweils in Rechtsanwaltskanzleien. Hierfür suchen wir auch in diesem Jahr noch Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, Studierende als Praktikanten aufzunehmen. Nähere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf sowie bei Frau Agnes Slowik Durchwahl: 0211/49502-11 a.slowik@rak-dus.de (jki) Anwaltsschule Paris zu Besuch bei der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf Im Rahmen des mit dem Ministerium der Justiz des Landes NRW vereinbarten Austauschprogramms, haben 14 angehende französische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vom 21.-23.11.2022 der deutschen Justiz in Düsseldorf einen Besuch abgestattet. Dazu gehörte auch ein Besuch bei der RAK Düsseldorf. RA Karl-Heinz Silz und RA Jörg Stronczek haben die Gruppe im Namen des Kammervorstands herzlich in den Schulungsräumen der Kammer begrüßt. Es war bereits der 7. Besuch angehender französischer Kolleginnen und Kollegen in Düsseldorf, die ein reges Interesse für die deutsche Einheitsausbildung der Juristen zeigten. Im Mittelpunkt des Gedankenaustauschs standen auch diesmal wieder die Unterschiede im anwaltlichen Berufsrecht, insbesondere die Vertraulichkeitsregeln der Korrespondenz unter Kollegen und das Thema Fremdgeld/Anderkonten. Gerade letzterer Punkt gab Anlass zu vielen Fragen, da in Frankreich und einigen anderen europäischen Ländern die Einziehung und Auszahlung von Mandantengeldern zentral durch anwaltliche Fremdgeldkassen der örtlichen Rechtsanwaltskammern organisiert ist. Diese in Frankreich gesetzlich geregelten Kassen mit der Abkürzung CARPA für „Caisse des Re`glements Pe´cuniaires des Avocats“ übernehmen und überwachen alle Zahlungsvorgänge, die sich in Ausübung eines anwaltlichen Mandats ergeben können1 1 Beltz – Die französische CARPA-Fremdgeldkasse für die Anwaltschaft AnwBl. 5/2011 , so dass Probleme im Zusammenhang mit Mandantengeldern weitestgehend ausgeschlossen sind. (js) KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 9

BRAK-Stellungnahme zum Rechtsstaatlichkeitsjahresbericht der Europäischen Kommission Die BRAK hat sich auch in diesem Jahr an der Konsultation der Europäischen Kommission für ihren alljährlichen Bericht über die Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten beteiligt. Die Kommission arbeitet nun bereits an ihrem vierten Rechtsstaatlichkeitsbericht. Darin thematisiert sie Missstände in den Mitgliedstaaten, geht aber auch auf positive Entwicklungen ein. Im vergangenen Bericht hatte die Kommission erstmals Empfehlungen ausgesprochen – für Deutschland war darunter die Fortführung des Paktes für den Rechtsstaat. Auch die BRAK war in der Vergangenheit für eine personell und funktionell optimal ausgestattete Justiz eingetreten. Im diesjährigen Beitrag spricht sich die BRAK für eine Fortführung der positiven Entwicklungen aus. Thematisiert wird zudem die im letzten Jahr aufgetretene Problematik um die Sammelanderkonten, welche durch viele Banken aufgrund erhöhter Sorgfaltspflichten gekündigt worden waren. Die BRAK weist weiterhin auf die Bedeutung der Digitalisierung der Justiz hin und geht in diesem Zusammenhang auf die laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Dokumentation der Hauptverhandlung (§§ 271 ff. StPO) und zu Videoverfahren (§ 128a ZPO Entwurf) ein. Die Stellungnahme 6/2023 der BRAK finden Sie unter https:// www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/stellung nahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2023/stellung nahme-der-brak-2023-06.pdf. (jki) Schlichtungsstelle der Anwaltschaft in Berlin: mehr Schlichtungsvorschläge und höhere Akzeptanz Der Ende Januar vorgestellte Tätigkeitsbericht 2022 der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft in Berlin dokumentiert insgesamt eine hohe Akzeptanz der Schlichtungsstelle in der Anwaltschaft. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Teilnahmebereitschaft auf rund 92%, auch die Annahmequote der unterbreiteten Schlichtungsvorschläge stieg erneut auf nun rund 63%. In gut zwei Drittel der Fälle schlug die Schlichtungsstelle dabei ein gegenseitiges Nachgeben vor, in 29% fiel der Vorschlag vollständig zugunsten der betroffenen Anwältin bzw. des betroffenen Anwalts aus, in 3,5% der Fälle vollständig zugunsten der Mandantschaft. Die Gesamtzahl der Anträge sank im Vergleich zum Vorjahr um 16%, allerdings war in 2021 wohl pandemiebedingt ein Anstieg zu verzeichnen gewesen. Zugenommen hat hingegen die Anzahl der zulässigen Anträge; 2,5% weniger Anträge als im Vorjahr mussten wegen Unzulässigkeit abgelehnt werden. Weiter reduziert werden konnte auch die durchschnittliche Verfahrensdauer: Ein Schlichtungsverfahren dauert ab dem Zeitpunkt, zu dem die Akte vollständig vorliegt, im Schnitt nur rund 53 Tage. Der Tätigkeitsbericht gibt zudem Aufschluss über die Gegenstände der Schlichtungsverfahren, die betroffenen Rechtsgebiete sowie Anzahl, Inhalt und Ergebnis der Schlichtungsvorschläge bzw. über die Art der Verfahrenserledigung. Er enthält außerdem Informationen zum organisatorischen Aufbau der Schlichtungsstelle, statistische Auswertungen, typische Fallkonstellationen sowie Empfehlungen zur Vermeidung von Streitigkeiten. Anonymisierte Schlichtungsfälle illustrieren beispielhaft das breite Spektrum an Fällen, in denen die Schlichtungsstelle tätig wurde. Den vollständigen Tätigkeitsbericht finden Sie unter https://www.schlichtungsstelle-der-rechtsanwaltschaft. de/wp-content/uploads/2023/02/SDR-TB-2022-online -x.pdf (jki) ABC – Steuerfragen für Rechtsanwälte (Stand: Februar 2023) Der Ausschuss Steuerrecht der BRAK hat seine Beitragsreihe „ABC – Steuerfragen für Rechtsanwälte“ ergänzt. Neu eingefügt wurde der Beitrag „Fahrtenbuch“. Im ABC werden alle Handlungshinweise und Veröffentlichungen in BRAK-Mitteilungen und BRAK-Magazin des Ausschusses kurz dargestellt und verlinkt. Die Texte werden fortlaufend ergänzt und aktualisiert. Die Beitragsreihe „ABC – Steuerfragen für Rechtsanwälte“ vom Ausschuss Steuerrecht der BRAK (sowie alle anderen Informationen und Veröffentlichungen des Ausschusses) finden Sie auch auf der BRAK-Homepage unter https://www.brak.de/die-brak/ausschuesse/a usschuss-steuerrecht/. (jki) Berichte und Bekanntmachungen 10 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe Der Deutsche Bundestag hat am 9.2.2023 in seiner 85. Sitzung den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften des Rechts der rechtsberatenden Berufe in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung einstimmig angenommen. Ziel des Gesetzes ist es, die Aufsicht über die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz registrierten Personen beim Bundesamt für Justiz zu zentralisieren, was u.a. der Ausbildung einer einheitlichen Rechtspraxis dienen soll, die aufgrund der Zuständigkeit der einzelnen Landesjustizverwaltungen bisher Schwierigkeiten bereitet habe. Die Zuständigkeitsübertragung soll zum 1.1.2025 erfolgen. Zugleich soll auch die geldwäscherechtliche Aufsicht über registrierte Personen auf das Bundesamt für Justiz übertragen werden. Zudem sollen alle Formen unbefugter Rechtsdienstleistungen, sofern sie selbständig und geschäftsmäßig betrieben werden, (wieder) als Ordnungswidrigkeiten bußgeldbewehrt werden. Auf diese Weise soll eine wirksame Bekämpfung unbefugter Rechtsdienstleistungen sowie die Herstellung eines insgesamt ausgewogenen Sanktionensystems gewährleistet werden. Durch die vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages beschlossenen Änderungen erfolgen u.a. Klarstellungen an Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Patentanwälte in Deutschland. Aus Sicht der Anwaltschaft bedeutend sind insbesondere auch Anpassungen von § 45 BRAO und § 59o BRAO. In § 45 BRAO, der Tätigkeitsverbote bei nichtanwaltlicher Vorbefassung regelt, wird die Sozietätserstreckung für Fälle, in denen das Tätigkeitsverbot auf wissenschaftlicher Mitarbeit im Rahmen der juristischen Ausbildung beruht, abgeschafft. Dieses war erst zum 1.8.2022 aufgenommen worden, hatte jedoch zu einem Wertungswiderspruch geführt. Die Änderung zu § 59o BRAO regelt die Mindestversicherungssumme für Berufshaftpflichtversicherungen bei „kleineren“ Berufsausübungsgesellschaften, in denen nicht mehr als 10 Personen anwaltlich oder in einem Beruf nach § 59c Abs. 1 S. 1 BRAO tätig sind. Die Staffelung der Mindestversicherungssumme betrifft alle Gesellschaftsformen mit einer Haftungsbeschränkung oder -begrenzung. Mit einer Ermäßigung von 2,5 Mio. Euro auf 1 Mio. Euro soll ein besserer Zugang für kleinere Kanzleien geschaffen werden. Bislang wurden für die Berechnung der Mindestversicherungssumme bei interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaften auch diejenigen Personen berücksichtigt, die einen nicht-anwaltlichen sozietätsfähigen Beruf ausüben. Für die Bestimmung der notwendigen Mindestversicherungssumme kommt es nun nur noch auf die Personen an, die anwaltlich tätig sind. Auch die Jahreshöchstleistung soll maximiert werden. Nach der neuen Fassung werden bei der Maximierung nur diejenigen anwaltlichen Gesellschafter/innen und Geschäftsführer/innen gezählt, die „in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen oder niedergelassen“ sind. Die Regelung schafft damit Klarheit für internationale Organisationseinheiten. Der vom Bundestag beschlossene Gesetzesentwurf enthält auch die von der BRAK geforderte neue Nr. 8 in § 177 Abs. 2 BRAO (Aufgaben der BRAK). Durch die Ergänzung des § 177 Abs. 2 BRAO um eine neue Nr. 8 soll die BRAK die Möglichkeit erhalten, die Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwältinnen und -anwälte bei der Erfüllung ihrer Pflichten im Rahmen der Geldwäschebekämpfung zu unterstützen. Da die Thematik der Geldwäschebekämpfung in letzter Zeit in außerordentlichem Maße an Bedeutung gewonnen hat und die von den Berufsträgerinnen und -trägern zu beachtenden Vorgaben auch künftig noch weiter zunehmen dürften, erscheint eine Unterstützung der Kammern und Kollegen bei der Einhaltung der Geldwäschevorschriften durch die BRAK sinnvoll. Zudem soll § 207 Abs. 1 BRAO eine Ergänzung erfahren, die es ausländischen Anwältinnen und Anwälten unter gewissen Umständen ermöglicht, die Zugehörigkeit zum Anwaltsberuf in ihrem Heimatland nur glaubhaft machen zu müssen. Gerade geflüchtete Anwältinnen und Anwälte aus Afghanistan oder Syrien konnten in der Vergangenheit die erforderlichen Bescheinigungen ihres Heimatstaates nicht vorlegen. Der Gesetzesentwurf könnte noch im März den Bundesrat passieren. Einzelheiten und Informationen zum Gesetzgebungsverfahren finden Sie unter https:// www.brak.de/newsroom/newsletter/nachrichten-ausberlin/nachrichten-aus-berlin-2023/ausgabe-4-2023-v2222023/rechtsdienstleister-zentralisierte-aufsicht-bes chlossen/ (jki) Berichte und Bekanntmachungen KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023 11

Anwaltsrecht/Berufsrecht )HVWVWHOOXQJVLQWHUHVVH LQ 9HUIDKUHQ GHU $QZDOVJH richtsbarkeit Die Kammer rät Arbeitszeiterfassung – auch in der Rechtsanwaltskanzlei? Der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich in einem vielbeachteten Beschluss vom 13.9.2022 (Az. 1 ABR 22/21) zur Arbeitszeiterfassung geäußert. Die Beteiligten stritten darüber, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung zusteht. Dies ist bezogen auf das „ob“ nicht der Fall, so die Richter des Senats, aber bezogen auf das „wie“. Nach den Leitsätzen sind Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, für die der Gesetzgeber nicht auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG eine von den Vorgaben in Art. 3, 5 und 6 b) dieser Richtlinie abweichende Regelung getroffen hat. Dem Betriebsrat steht kein – über einen Einigungsstellenspruch durchsetzbares – Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Systems zu, mit dem die tägliche Arbeitszeit solcher Arbeitnehmer erfasst werden soll. Dies bedeutet zum einen, dass Arbeitgeber ohnehin eine Pflicht trifft, ein System einzuführen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten im Gemeinschaftsbetrieb erfasst werden. Zum anderen – und das ergibt sich aus der weiteren Begründung – dem Betriebsrat bei der Ausgestaltung des weiten Spielraums bei der Umsetzung durchaus eine Mitsprache bei dem „wie“ zukommt. Die grds. Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit folgt nach Ansicht des Senats aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Dabei seien die Formulierungen durch den Gesetzgeber, dass der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine „geeignete Organisation“ zu sorgen und die „erforderlichen Mittel“ bereitzustellen hat weit zu verstehen. Die Richter verweisen in den Entscheidungsgründen auf eine Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 (EuGH 14.5.2019 – C-55/18 – [CCOO], sog. Stechuhr-Urteil) betreffend das spanische Recht. In dieser Entscheidung heißt es, dass sich eine entsprechende Pflicht von Arbeitgebern, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, im Wege der Auslegung der Vorgaben der Richtlinie 2003/ 88/EG – insbesondere deren Art. 3, 5 und 6, ergibt. Daraus folgt konkret, dass die genaue Uhrzeit des Anfangs und des Endes der Arbeit notiert werden müssen. Eine pauschale Notiz, dass ein Beschäftigter acht Stunden gearbeitet und 30 Minuten Pause gemacht hat, reicht nicht. Die Erfassung muss nicht elektronisch erfolgen und es muss auch nicht der Arbeitgeber die Arbeitszeiten für jeden einzelnen Beschäftigten notieren – das darf er durchaus an die einzelnen Mitarbeiter delegieren. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber eine Vorgabe macht, wie die Arbeitszeit zu erfassen ist, etwa ein bestimmtes Dokument vorbereitet und verteilt, in das die Beschäftigten ihre Arbeitszeiten eintragen können. Aber: der Arbeitgeber muss auch kontrollieren, dass die Arbeitszeiten auch tatsächlich dokumentiert werden. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass die Arbeitnehmer Arbeitszeiten notieren, wenn er es einmal angeordnet hat. Entscheidend ist, dass die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten überprüfbar ist. Der Arbeitgeber muss also ein System hierzu einführen – wobei er bezogen auf die Umsetzung, also das „wie“ grds. einen großen Gestaltungspielraum hat. Nur der grds. Handlungsbedarf sollte nicht außer Acht gelassen werden. Letztlich gilt diese Verpflichtung nicht erst seit der Entscheidung aus September. Die Verpflichtung zur Zeiterfassung bestand jeher, wie das BAG nunmehr feststellt. Die europäischen Vorgaben des Arbeitszeitrechts wurden also bislang in Deutschland nicht richtig umgesetzt. Daher braucht es nun auch grds. keiner Gesetzesänderung mehr. Die Pflicht folgt vielmehr unmittelbar aus den Regelungen zum Arbeitsschutz. Zwar unterfallen grds. auch leitende Angestellte der Norm des § 3 ArbSchG, auf die das BAG die Pflicht zur Erfassung in europarechtskonformer Auslegung stützt. Der Arbeitsschutz gilt für alle Beschäftigten im Betrieb. Allerdings muss auch das Arbeitsschutzgesetz europarechtskonform ausgelegt werden, und die entsprechende europäische Arbeitszeitrichtlinie sieht in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG Ausnahmen für leitende Angestellte vor. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Ausnahme Gebrauch gemacht und nimmt leitende Angestellte gem. § 18 ArbZG ausdrücklich von den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes aus. Tatsächlich drohen bei Verstößen gegen die Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit derzeit keine unmittelbaren Folgen. Die Pflicht resultiert aus § 3 ArbSchG, Verstöße hiergegen sind nicht nach § 25 ArbSchG Bußgeldbewehrt und bedürfen erst einer konkreten Anordnung durch die Behörde (§ 22 Abs. 3 ArbSchG). 12 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2023

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