Kammermitteilungen 1/2022

der Komplexität der jeweiligen Rechtsstreitigkeit ergibt oder weil mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen sind und die Partei aus diesem Grund die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen kann (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2018 – II ZB 23/16, NJW 2018, 1693 Rn. 11). Auch die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts ist ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – XI ZB 13/ 11, NJW-RR 2012, 697 Rn. 9). Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht im konkreten Fall rechtsfehlerfrei, so der Senat, die Zuziehung der nicht am Sitz der Beklagten ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Begründung als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO bewertet, die Beklagte sei nicht gehalten gewesen, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils gesondert einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und neu zu instruieren. Eine nennenswerte Kostenersparnis ist durch die Einschaltung einer am Prozessort oder an dem Geschäftssitz niedergelassenen Rechtsanwaltskanzlei – bei fehlendem persönlichen Besprechungsbedarf – nicht zu erwarten, wenn – wie hier – ein Unternehmen bundesweit in einer Vielzahl von Fällen verklagt wird. Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO verlangt im Falle der notwendigen Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2011 – VIII ZB 93/10, NJW-RR 2012, 695 Rn. 16) oder auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte erfolgen können. Denn bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2010 – III ZB 64/09, juris Rn. 7; vom 25. Oktober 2011 – VIII ZB 93/10, aaO Rn. 13; vom 27. Februar 2018 – II ZB 23/16, NJW 2018, 1693 Rn. 10). Der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Januar 2010 – III ZB 64/09, aaO; vom 25. Oktober 2011 – VIII ZB 93/10, aaO; vom 27. Februar 2018 – II ZB 23/16, aaO). Vor diesem Hintergrund bedarf es zur Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten grundsätzlich nicht zusätzlich der gesonderten Feststellung, ob die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts am dritten Ort verbundenen Mehrkosten in voller Höhe erstattungsfähig sind, wenn das Beschwerdegericht die Notwendigkeit der Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung – wie hier – rechtsfehlerfrei bejaht hat. (jki) BGH zur Zulassung von Geschäftsführern als Syndikusrechtsanwälte Mit Beschluss vom 25.10.2021 (AnwZ (Brfg) 37/20) hat sich der Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof erneut zu den Voraussetzungen der Zulassung von Geschäftsführern als Syndikusrechtsanwalt geäußert, dabei allerdings erneut die Frage offen gelassen, ob die Zulassung grds. deshalb zu versagen sei, weil das Anstellungsverhältnis als GmbH-Geschäftsführer kein Arbeitsvertrag, sondern ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichteter freier Dienstvertrag (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 – AnwZ (Brfg) 17/20, siehe KammerMitteilungen 1/2021, S. 12) sei. Im konkreten Fall hatte der AGH NRW als Vorinstanz einen Erstreckungsbescheid, den die zuständige RAK nach Beförderung des Syndikusrechtsanwalts zum Geschäftsführer erlassen hatte, auf Klage der DRV Bund aufgehoben (Urteil vom 2.10.2020 – 1 AGH 3/20). Die hiergegen gerichtete statthafte Berufung hat der BGH als unzulässig zurückgewiesen, weil die Berufungsbegründungen die Voraussetzungen des § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO nicht erfüllten. Der Senat hat sich dennoch auch inhaltlich geäußert: Hiernach hält er die Berufungen einstimmig für unbegründet. Unabhängig von der grds. Frage der Zulassungsfähigkeit von Geschäftsführern stehe der Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt bereits entgegen, dass die fachliche Unabhängigkeit seiner anwaltlichen Tätigkeit in Anbetracht seiner Stellung als Geschäftsführer nicht gemäß § 46 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 und 4 BRAO gewährleistet sei. Denn nach § 46 Abs. 4 S. 1 BRAO übt eine fachlich unabhängige Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten (§ 46 Abs. 4 S. 2 BRAO). Dies ist hier nicht der Fall, da es aufgrund der gesellschafts- und organrechtlichen Weisungsgebundenheit des Beigeladenen als GmbH-Geschäftsführer an der gebotenen vertraglichen Gewährleistung seiner fachlichen Unabhängigkeit fehlt. Als Geschäftsführer einer GmbH hat der Beigeladene gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG die Beschränkungen einzuhalten, die für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. DaRechtsprechungsübersicht 14 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2022

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