Kammermitteilungen 1/2022

Eine Versendung von E-Mails an den Gegner ist nicht zulässig, sofern die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen – Beschluss des AnwG Düsseldorf Die Rechtsanwaltskammer hatte eine Rüge erteilt, weil ein Schreiben in einem Mandat dem Gegner per Email, an ein allgemeines, vom Gegner beruflich genutztes EMail-Postfach versandt wurde. Der Antrag der betreffenden Rechtsanwältin auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gegen den Rügebescheid des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf in Form des Einspruchsbescheids des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf wurde durch das Anwaltsgericht als unbegründet zurückgewiesen (Beschluss des Anwaltsgerichtes vom 10.12.2021, 1 AnwG 30/20) Das Anwaltsgericht sah es als erwiesen an, dass die Rechtsanwältin gegen ihre berufsrechtlichen Pflichten gemäß § 43 BRAO, Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 DSGVO verstoßen hat. Insbesondere folgte die Kammer der Rechtsaufassung des Vorstands, dass mit der festgestellten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 DSGVO zugleich ein nicht unbeachtlicher Verstoß gegen anwaltliches Berufsrecht vorliegt. Nach § 43 BRAO hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen. Die Generalklausel des § 43 BRAO greift ein, wenn berufsrechtliche Spezialregeln fehlen, aber gegen in anderen Normen auferlegte Pflichten verstoßen wird, soweit diese berufsrelevanten Regelungsinhalt aufweisen und von der allgemeinen, in § 43 BRAO zum Ausdruck kommenden Berufspflicht noch umfasst sind. Damit stellt ein Verstoß gegen allgemeine Gesetze (nur) dann eine Berufspflichtverletzung dar, wenn das Verhalten mit der gewissenhaften Berufsausübung und der Stellung des Rechtsanwalts nicht vereinbar ist. Entscheidend ist, dass die Verletzung materiell berufsbezogen ist. Soweit Rechtsanwälte in ihrer Kanzlei personenbezogene Daten verarbeiteten, unterfallen sie einer besonderen Vertrauenserwartung der Mandanten und Dritter in die Integrität des Berufsstandes und in die nicht rein kommerzialisierte Ausübung ihrer Tätigkeit. Die strikte Beachtung der datenschutzrechtlichen Regelungen gehört daher zum Kernbereich anwaltlicher Pflichten (so auch AnwG Berlin, Beschl. v. 5.3.2018 – 1 AnwG 34/16). (jki) Anwaltsvertrag kann Werkvertrag sein Übernimmt ein Rechtsanwalt eine Rechtsauskunft über eine konkrete Frage oder erstellt er ein schriftliches Rechtsgutachten, kann ein Werkvertrag vorliegen. Wird die anwaltliche Leistung so spät erbracht, dass eine sinnvolle Verwertung für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar erscheint, liegt keine ordnungsgemäße, abnahmefähige Leistung vor. Ist nach der Interessenlage der Parteien und nach dem Sinn und Zweck des Vertrags der Leistungszeitpunkt so wesentlich, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darzustellen vermag, können die Grundsätze des absoluten Fixgeschäfts Anwendung finden. Kann der Leistungserfolg nicht mehr eintreten, liegt Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB vor, welche gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB zum Wegfall des Anspruchs auf die Gegenleistung führt. Ist beim Anwaltsdienstvertrag aufgrund des Zeitablaufs das Interesse an der Dienstleistung weggefallen, besteht der Schaden des Dienstberechtigten darin, dass er mit einem Vergütungsanspruch belastet ist. Auch das Dienstvertragsrecht kennt „absolute Fixschulden“, deren Leistung allein durch erfolglosen Ablauf des letztmöglichen Leistungszeitpunkts objektiv unmöglich wird. So lauten die Leitsätze einer aktuellen Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12. Oktober 2021 – I-24 U 265/20). Die Parteien, eine Rechtsanwaltskanzlei und eine von dieser mit einer Rechtsfrage befasste Rechtsanwältin, stritten über ein mögliches Honorar. Dabei ging es um die Frage, ob das Honorar für die Mandatsvermittlung geschuldet würde. In diesem Falle wäre die Vereinbarung aufgrund des Verstoßes gegen § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO gem. § 134 BGB nichtig. Danach ist es einem Rechtsanwalt grundsätzlich verboten, Mandate gegen einen Teil der Gebühren abzugeben oder anzunehmen. Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen (vgl. BGH, Senat für Anwaltssachen, Urteil vom 20. Juni 2016 – AnwZ (Brfg) 26/14, Rn. 18; OLG München, Beschluss vom 31. Oktober 2019 – 23 U 940/19, Rn. 33 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. April 2013 – 4 U 18/13, Rn. 4; Henssler/Prütting/Kilian, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b Rn. 161; Hartung/Scharmer/Peitscher, BORA/ FAO, 7. Auflage 2020, § 49b Rn. 60) (...) Eine Vermittlung liegt vor, wenn neben den Parteien des Anwaltsvertrages ein Dritter in die Akquisition der Mandate involviert ist. Insoweit kommen auch sozietätsfremde Rechtsanwälte in Betracht (Henssler/Prütting/Kilian, aaO, § 49b Rn. 166 f.). Der Senat ging im konkreten Fall aber davon aus, dass die klagende Rechtsanwältin nach der Vereinbarung, deren Inhalt allerdings im Einzelnen streitig ist, jedenfalls nach ihrem eigenen Vorbringen die Beantwortung einer bestimmten, näher eingegrenzten Rechtsfrage schuldete. Ein anwaltlicher Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat, hat in der Regel die Beratung des Mandanten oder dessen Rechtsbeistand zum Gegenstand. Die anwaltliche Leistung könne einem Werkvertrag zugeordnet werden, wenn ein durch Rechtsprechungsübersicht 12 KammerMitteilungen RAK Düsseldorf 1/2022

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