Aktuelles zum Coronavirus bzw. den Folgen für die Justiz und die Anwaltschaft

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesen ungewöhnlichen Zeiten überschlagen sich naturgemäß die Nachrichten und meistens sind es schlechte Nachrichten.

Zunächst komme ich auf das beA zu sprechen, das gerade jetzt mit voller Funktionsfähigkeit von größter Bedeutung für uns alle wäre.

Wie Sie festgestellt haben, ist das beA – wieder einmal – seit Montag nicht funktionsfähig. Gute Nachrichten aus Berlin sind insoweit ebenfalls nicht zu verzeichnen, wie Sie der Veröffentlichung auf der Homepage der Kammer entnehmen können.

Noch unerfreulicher ist es, dass man in Berlin dazu übergegangen ist, die Regionalkammern über Störungen nicht zu informieren. Vielmehr wird ausdrücklich erwartet, dass die Geschäftsstellen der Regionalkammern sich jeden Tag aufs Neue durch einen Blick auf die Homepage der BRAK darüber informieren, ob das beA nun funktioniert oder nicht funktioniert.

Dies habe ich gegenüber Berlin nachdrücklich sowohl mündlich als auch schriftlich kritisiert und darum gebeten, zur alten Verfahrensweise zurückzukehren.

Nachdem die Regionalkammern riesige Beträge für die Erstellung des beA Berlin zur Verfügung gestellt haben, betrachte ich nicht nur die Funktionsfähigkeit des beA als Bringschuld, sondern auch die Information über Störungen.

Ich will nicht verkennen, dass in der BRAK die Verantwortung für den derzeitigen Zustand nur mittelbar liegt, es ist aber gleichwohl nicht nur ärgerlich, sondern verstörend, dass immer aus den verschiedensten Gründen technische Fehler auftauchen, die eine Übermittlung von Schriftstücken – unter anderem – unmöglich machen.

Naturgemäß gehen hier auch jede Menge Fragen von Kolleginnen und Kollegen ein, wie die Justiz mit der Situation umgeht. Insoweit darf verwiesen werden auf das Informationsschreiben des OLG Düsseldorf, das gestern von unserer Kammer versandt wurde.

Mit unserem OLG-Präsidenten stehe ich in ständigem Kontakt und für morgen, Donnerstag, den 19. März 2020 ist im Oberlandesgericht ein Gesprächstermin vereinbart worden. Danach werde ich weiter berichten.

Mir liegen in diesem Zusammenhang zwei Dinge ganz besonders am Herzen, nämlich die Frage nach Terminsverlegungen und die Frage nach laufenden Fristen.

Was die Fristen angeht, so werde ich morgen nachdrücklich meinen Vorschlag wiederholen, dass Gerichte laufende Fristen – soweit es sich nicht um Notfristen handelt – auch ohne Antrag automatisch um zunächst 30 Tage verlängern.

Wenn dies umgesetzt werden kann, würde dies zumindest derzeit den Druck in den Kanzleien ein wenig lindern können.

Was Terminsverlegungen angeht, so wird es natürlich grundsätzlich begrüßt, dass den Gerichten empfohlen wird, Termine aufzuheben oder zu verlegen.

Hier besteht allerdings die Gefahr, dass es in den nächsten Monaten zu einem erheblichen Rückstau kommt und deshalb appelliere ich sowohl an die Gerichte, insbesondere aber auch an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden zu erklären.

Dies verhindert nicht nur den von mir befürchteten Rückstau, sondern kann – im Interesse unserer Mandantschaft – mit dazu beitragen, dass mögliche Titulierungen zeitnah herbeigeführt werden können. Gerade im Hinblick auf die katastrophalen bisherigen wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus ist es meines Erachtens wichtig, dass über offene Forderungen auch zeitnah entschieden wird.

Ein Weiteres:

Sie haben sicherlich gelesen oder gehört, dass bestimmte Berufsgruppen als systemrelevant betrachtet werden, mit der Folge, dass man es zulässt, dass die Kinder von Eltern, die in systemrelevanten Berufen tätig sind, in Kitas aufgenommen werden.

Soweit verlautbart wurde, dass selbstverständlich die Justiz und damit die Richter und Staatsanwälte systemrelevant sind, ist es zurecht von Kolleginnen und Kollegen vermisst worden, dass auch Rechtsanwälte Erwähnung finden.

Dankenswerterweise haben sowohl der DAV als auch der Präsident der Rechtsanwaltskammer Hamm hier klare Worte gefunden und bestätigt, dass auch Anwälte als Organe der Rechtspflege selbstverständlich ebenfalls systemrelevant sind, kann ein Justizsystem ohne uns schließlich nicht funktionieren.

In Abstimmung mit meinem Präsidentenkollegen aus Hamm verweise ich auf dessen nachfolgendes Schreiben, dem ich mich vollinhaltlich anschließe.

„Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat am 13. März 2020 eine aufsichtliche Weisung über ein Betretungsverbot von sämtlichen Kindertageseinrichtungen (i.S.v. § 33 Nr. 1 und 2 IfSG) erlassen. Er hat ferner mit gleichem Datum eine aufsichtliche Weisung zur Schließung der schulischen Einrichtungen (i.S.v. § 33 Nr. 3 IfSG) im Lande Nordrhein-Westfalen erlassen.

In den Erlassen sind Ausnahmen für Kinder bestimmter Personengruppen vorgesehen. Dabei geht es um Kinder derjenigen Personen, die in kritischen Infrastrukturen tätig sind.

Kritische Infrastrukturen sind Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere ernsthafte Folgen eintreten würden.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat insoweit eine Leitlinie zur Bestimmung des Personals kritischer Infrastrukturen erstellt.

Unter Ziffer 9. fällt auch der „Sektor staatliche Verwaltung (Bund, Land, Kommune)“. Dabei geht es um Kernaufgaben u.a. der öffentlichen Verwaltung und Justiz.

Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen führt in seinem Schreiben vom 13. März 2020 hinsichtlich der aufsichtlichen Weisung zum Betretungsverbot von Gemeinschaftseinrichtungen i. S. d. § 33 Nr. 1 und 2 IfSG aus, dass zu den Schlüsselpersonen Angehörige von Berufsgruppen gehören, deren Tätigkeit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der medizinischen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung zentraler Funktionen des öffentlichen Lebens dienen. Dazu zählten insbesondere alle Einrichtungen, die der Handlungsfähigkeit zentraler Stellen von Staat, Justiz und Verwaltung dienen.

Dasselbe führt auch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf das vorgenannte Betretungsverbot von Kindertagesbetreuungsangeboten und Betreuung von Kindern von Schlüsselpersonen auf seiner Homepage auf.

Der Rechtsanwalt ist gem. § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) unabhängiges Organ der Rechtspflege und gehört daher nach Sinn und Zweck der vorstehemden Vorschriften zu den genannten Schlüsselpersonen der Justiz. Die Handlungsfähigkeit der Justiz kann ohne Rechtsanwälte nicht gewährleistet werden. Ohne Rechtsanwälte gibt es nur wenige Rechtsstreitigkeiten, über die Gerichte entscheiden könnten.

Denn die Rechtsanwälte sind es, die im Namen ihrer Mandantschaft Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten austragen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es zahlreichte Verfahren gibt, bei denen Anwaltszwang besteht, wie in familiengerichtlichen Verfahren oder Verfahren vor den Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof. Dabei kann es um existenzielle Angelegenheiten der Mandantschaft gehen, so dass nach Auffassung unserer Berufskammer kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass Rechtsanwälte zu dem genannten Personenkreis gehören.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Otto
Präsident“

 

Uns erreichen auch Anfragen hinsichtlich der Fortbildungsverpflichtung, verbunden mit der Frage, ob die Verpflichtung nach der FAO nicht bis auf weiteres ausgesetzt werden könnte.

Eine solche Maßnahme halte ich zum einen derzeit für verfrüht, zum anderen kann hier nicht eine einzelne Regionalkammer „vorpreschen“.

Zurecht würden Kolleginnen und Kollegen aus benachbarten Bezirken, bei denen die Kammern nicht ähnlich verfahren, protestieren.

Schließlich besteht bis zum Jahresende auch noch genügend Zeit, hoffentlich verlegte Fortbildungstermine wahrzunehmen oder von dem umfangreichen Online-Angebot Gebrauch zu machen.

Unabhängig hiervon bin ich sicher, dass in Einzelfällen über Anträge, fehlende Fortbildungsstunden nachzuholen, großzügig bzw. mit Augenmaß entschieden werden wird.

Bitte informieren Sie sich freundlicherweise auch weiterhin über die Homepage der Kammer und den Newsletter.

Für heute verbleibe ich

mit besten kollegialen Grüßen

Schons
Präsident